Tonspur
Tonspur vom 05.10.2015
Beirut - No No No - Beirut. Eine Stadt, eine Band. Es ist mittlerweile so weit, dass man manchmal beim Namen Beirut eben nicht mehr zuerst an die Stadt denkt, sondern gleich an die Band aus den USA. Sänger, Konstante und Kreativzentrum der Band ist Zach Condon. Seit Jahren reist er um die Welt und macht Musik aus dem, was er vor Ort findet. Französische Akkordeons, mexikanische Begräbniskapellen und immer wieder Blasmusik. Damals, als das französisch-chansonnige „The Flying Club Cup“ herauskam, las ich, dass man schönere französische Songs erstmal schreiben muss. Es gab dann wirklich Akkordeon und schreckliche Melancholie in Condons Trauerkloß-Stimme und so ganz gekickt hat mich das ehrlicherweise noch nicht. Dann gab es ein wenig Electro seinerseits, mit „The Rip Tide“ ein subtil fantastisches Album und parallel ein wenig Erwachsenwerden meinerseits. Nach und nach kam ich zur Erkenntnis, dass Condon vielleicht nicht der größte Sänger der Welt ist, aber ein unfassbarer Komponist und Arrangeur. Und seine trauerkloßige Stimme gibt seiner Musik eben genau den abwegigen Dreh, der sie so besonders macht. Wenn man dann so unterwegs ist, im Zug oder nachts auf dem Heimweg, unterwegs, das ist wichtig, und dann Beirut-Songs im Ohr hat, die irgendwie auch immer unterwegs sind, dann möchte man weinen und lachen, weil es nichts Wahrhaftigeres geben kann als eine kleine Trompete, die große Fässer aufmacht, nachgießt und zum Überschwappen bringt. Erst letzte Woche habe ich festgestellt, dass „A Candle’s Fire“ vom letzten Album ungefähr der beste Song des Planeten ist. Majestätisch, aber nicht distanziert, warm, groß, aber nicht anbiedernd.
Und dann… der Absturz. Dramatische Wende. Es hätte richtig klischeemäßig werden können. Aber um jetzt tot zu sein, dafür war Zach Condon vielleicht auch nie rockstarmäßig und berühmt genug, sondern eben doch ein troubadourmäßiger kleiner Trompeter. Nach Scheidung, Tour-Abbruch, Krankenhaus und auch noch Schreibblockade erwägte Zach Condon jedoch tatsächlich einen Ausstieg aus der Musik. Was wäre das schade gewesen! Was gefehlt hätte, sehen wir jetzt. Das neue Album heißt „No No No“. Urbane Legenden besagen, dass wir das neue Album einer neuen Liebe zu verdanken haben. Und ehrlich gesagt klingt es auch so. Ein bisschen weniger Pomp, Trompeten, Moll, Balkan, Kapellen, mehr Dur und Klaviertamtam. Der Einstieg mit „Gibraltar“ ist sogar ein wenig groovy. Und dann kommt „No No No“ und ist musikalisch und textlich ein einziges großes JA!, mit Ausrufezeichen und in Versalien. Und wenn dann am Ende die Bläser einsetzen, weiß man erst gar nicht, wie einem geschieht und anschließend, dass man am richtigen Ort ist mit der richtigen Musik. Ich interpretiere das Stück als Frisch-Verliebtsein und man kann eigentlich nur verliebt mitwippen. Getragen und pianoballadig wird man bei „At Once“ schrecklich wehmütig, aber genau das muss eben auch sein mit Beirut. „August Holland“ ist wieder groovy und ziemlich dur-lastig, und ich finde das gut. Dann franst das Ganze ein wenig aus, aber „Fener“ holt einen wieder zurück. Nach einer halben Stunde ist das Ganze leider auch schon wieder vorbei. Vielleicht könnte man erwarten, dass da noch was kommt, das Album länger ist und majestätischer, herzzerreißender, orchestraler. Aber: Es tut gut, dass es Zach Condon gut zu gehen scheint, und seine Melancholie und sein Geist für das Majestätische im Kleinen kommt ihm auch so nicht abhanden - gut so. Und „No No No“ ist eben auch so gut, weil es andere Alben von Beirut gibt. Und darauf Songs wie „A Candle’s Fire“, „Santa Fe“, „Postcards From Italy“ und dieses kleine Wunderwerk „Scenic World“, das man hört und bei dem man in die Welt hinaus will. Auch wenn jetzt, in diesem Moment, „No No No“ die richtige Musik ist, kann man sich bei Beirut nie so sicher sein. Vielleicht ist das Unterwegssein der richtige Ort, und wer kann einem da sagen, was die richtige Musik ist? Beirut versuchen es zumindest. Wir hören vom gleichnamigen Album: Beirut mit „No No No“.
(Laura Eigbrecht)