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Kulturrückblick

Kulturrückblick vom 24.08.2016

Anna Mateur und STÜBA versuchen sich an Rio Reiser - Am Montagabend war die STÜBAphilharmonie erneut beim Kunstfest zu Gast. Im vorigen Jahr war der Auftritt des Orchesters hier sehr gut angekommen. Diesmal war die Dresdener Sängerin Anna Mateur mit von der Partie.

Nach der Jungen Deutschen Sinfonie am Freitag nun also das interessante junge Thüringer Orchester – die STÜBAphilharmonie beim Kunstfest, gemeinsam mit Sängerin – oder soll man sagen Comedian? - Anna Mateur. Die boten gemeinsam ein Programm an Liebesliedern oder – wie im Programmblatt stand – „Andere Lieder“ von Rio Reiser und das Programm hieß „Dahin. Dahin“ …
Dahin zog es dann auch eine Menge Publikum, und dieses schien mir zunächst viergeteilt: die meisten kamen wohl der STÜBAphilharmonie wegen – Freunde, Familien, Kollegen, Clueso-Fans ...– und wegen Anna Mateur, die ja mittlerweile einen gewissen Kultstatus genießt. Dann kamen manche, weil Kunstfest war und man eben dabei sein wollte.
Naja, und dann waren auch einige Rio Reiser-Fans, die schienen mir allerdings die kleinste Gruppe zu sein; denn zu lang ist es her, dass der Anarcho-Poet und Rock-Agitator in Aktion war – vor 20 Jahren ist er gestorben. Und die jungen Leute auf den Stühlen neben mir hatten seinen Namen noch nie zuvor gehört, kannten auch seine legendäre Band „Ton, Steine, Scherben“ nicht....

Da möchte man meinen, dass es verdienstvoll ist, endlich mal wieder auf diesen außergewöhnlichen, zudem sehr sperrigen Künstler zu erinnern. Vielleicht aber waren die wahren Rio Reiser-Fans auch nur zu klug, um in dieses Konzert nicht zu gehen. Ich war nicht so klug, weil viel zu neugierig darauf, wie diese Mischung, dieses Experiment, Reiser mit Bigband und Sängerin, wie dieses Experiment wohl aufgehen mag. Also: dahin, dahin.

Fast alle, die mit ihren unterschiedlichen Motiven ins Konzert gekommen waren, schienen letztlich durchaus begeistert. Die Kunstfest-Fans konnten ein durchaus gewagtes Experiment zeitgenössischer Kunst erleben. Und das zudem noch mit einem Thüringer Beitrag: der STÜBAphilharmonie.
Die Fans dieser Philharmonie brauchten das Orchester ja auch nicht unbedingt mit der glänzend aufgelegten Jungen Deutschen Sinfonie vom Sonnabend vergleichen; denn hier war ein ganz anderes Konzept – allerdings auch ein wenig unentschlossen zwischen modernem klassischen Spiel und jazzigem Bigband-Sound, und schließlich auch noch mit einer Prise Hollywood oder gefälligem Schlagerfeeling...
Aber geht so etwas zusammen mit dem Geist Rio Reisers?

Anna Mateur, die Sängerin und Entertainerin, stand mittendrin im Orchester und zog ihr Programm durch, so wie man es von ihr erwarten konnte: flapsige Sprüche, Witzchen – leider meist auf Kosten anderer, Musiker wie Publikum, gelegentlich über sich selbst. Dem Publikum aber gefiel es. Trotz einiger Passagen, die die Sängerin stimmlich nicht zu meistern vermochte. Wer aber Anna Mateur erleben wollte – ihre Art, ihren Auftritt und ihre Sprüche – der hörte wohl gern auch darüber hinweg...

Wo aber blieb Rio Reiser? Dahin, dahin... Da waren zwar seine Texte, die einen auch sehr poetischen, einfühlsamen Rockpoeten zeichneten. Der war er gelegentlich auch, aber was ihn wirklich ausgemacht hat – das Zornige, Wütende, Rockige, Schrille, auch Melancholische über den Zustand der Welt – das kam nur selten vor, und wenn überhaupt, dann beiläufig...
Arrangements – so gut sie für sich genommen waren –, Instrumentierung und Sound, die passten einfach nicht zur schillernden Figur und Künstlergeschichte Reisers. Und Anna Mateurs Auftritt lenkte davon auch eher ab, statt seiner Poesie zu dienen. Es waren eben – andere Lieder...
Das Experiment ist aus meiner Sicht demnach nicht recht gelungen, und vielleicht haben die Musiker dies auch so empfunden, denn ich habe sie in früheren Konzerten schon viel frischer, inspirierter und viel gelöster aufspielen erlebt.

Da ist also kein Held auferstanden, stattdessen hat man einen vermeintlichen Heiligenschein zertrümmert – ganz nach Reisers Devise selbst: Macht kaputt, was euch kaputt macht.
Gegen die Möglichkeit eines Protestliederabends hat die Spaßgesellschaft in der Weimarhalle obsiegt, hatte ihren vergnüglichen Abend. Es mag ihr gegönnt sein, auch weil es letztlich doch ein interessantes Experiment gewesen ist. Nur wird es wohl als solches nicht in die Kulturgeschichts-bücher eingehen. Die Zeiten für ein ernsthafteres Rio Reiser-Programm sind eben dahin, dahin...



Abmoderation:
Anna Mateur und die STÜBAphilharmonie waren vorgestern beim Kunstfest. In der Weimarhalle hat sich Wolfgang Renner das Konzert angehört und war – wie ich heraushörte – nicht ganz so zufrieden, wie der Großteil des Publikums. Aber es ist ja gut so, wenn man sich an Programmen eines Festivals durchaus auch „reiben“ kann.

(Wolfgang Renner)

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