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Hörbuchrezension

Hörbuchrezension vom 08.08.2006

James Patterson: Das Ikarus-Gen - (Take I, Prolog: "Gegen elf Uhr abends trottete Dr. Ethan Kane..")
Schonmal voraus, dieser dramatisch produzierte Prolog ist schon das Beste am ganzen Hörbuch. 'Sechs außergewöhnliche Kinder versuchen, irgendwo auf dem Land in den Rocky Mountains ein ganz normales Leben zu führen. Sie leben an verschiedenen Orten, doch sie haben eines gemeinsam. Etwas, das sie von allen anderen Menschen unterscheidet. Diese Kinder haben Flügel. Sie sind Chimären, Mischwesen mit den Genen von Vögeln. Sie können sich den uralten Menschheitstraum erfüllen, frei mit dem Wind zu fliegen. Aber diese Besonderheit bringt sie zugleich in tödliche Gefahr. Die einzigen Menschen, zu denen sie je Vertrauen gefasst haben, sind die Tierärztin Frannie und der Ex-FBI-Agent Kit. Diese beiden haben Max und ihre Geschwister aus der Gewalt derer gerettet, für die sie nur Versuchstiere in einem menschenverachtenden Experiment waren.' Soweit der Plot des Romanes und offizieller Verlags-Text.

(Take II: "Ich fuhr eines Nachts spät nach Hause..")
Kurz nach der Einführung in die Grundlage der Geschichte (das ist der Roman "Der Tag, an dem der Wind dich trägt" desselben Autors) beginnt man sich schon Fragen zu stellen wie: Sechs fliegende Kinder, gnadenlose Auswahl aus hunderten vorausgegangener Versuche - warum ist eines von ihnen blind? Klischees, einfache Sprache, gradlinige Erzählung - ein Thriller? Spannung 0 Volt.

(Take III: "Wir hatten auf Vormundschaft für die Kinder geklagt..")
Sucht man in Büchern bisweilen Wort-Lust, so findet man hier Stammtisch-Sprache. "Brutal-stark", "fantastisch", "Miststück" und "Du bist eine tote Frau, auch wenn Du es noch nicht weißt" - bei jedem Mega-Sprach-Fehlgriff entglitt mir ein Augenleiern.

(Take IV "Es ist eine wissenschaftliche Tatsache..")
Nun gut, vielleicht im falschen Genre gesucht. Die handelnden Personen und deren Charaktere werden wie ein Spiel mit schwarzem Peter vor dem Hörer ausgebreitet, ebenso gradlinig hören sie sich auch an, die Bösen, eigentlich nur der Böse: abschätzig-schleifend, das Gute: lieb und anheimelnd.
(Take V: "Weißt Du, warum ich hier bin..")

Patterson vergißt selbst häufig Fakten, die er vor kurzem erst in die Geschichte einführte und muß sie - vielleicht sich, vielleicht seinen Lesern (hier natürlich: den Hörern) - wiederholen, oder glaubt er gar, daß man sich Aussagen wie "Max war die Älteste und Stärkste von allen." keine 30 Seiten resp. 30 Minuten lang merken kann? Die Handlung ist vorhersehbar, gerade noch kann man denken: "Waren die Bösen vielleicht schon im Haus gewesen?", hört man es promt:
(Take VI: "Waren sie vielleicht schon im Haus?")

Wenn ein Stephen King (beispielsweise, in dem las ich neulich wieder) einen Bungalow No. Acht erwähnen würde, so wüßten wir, daß genau dieser Bungalow und mehr noch die Nummer 8 irgendeine Bedeutung haben wird. Bei Patterson ist "Bungalow 8" rhetorisches Butterwerk, eine Formulierkurve für die bildhafte Vervollkommnung des längst Erfassten.
(Take VII: "Ich verließ den Highway und wir fuhren..")

Marie Bierstedt, die Sprecherin - eine gute Stimme und sie gibt sich Mühe - sie muß aber scheitern an der Textvorlage. Und beinahe hat man Mitleid und möchte sie nach dem "Warum" fragen. Gab es so viel Geld für diese Arbeit; gar Ruhm und Ehre? Ein Nulldurchgang der aktuellen Hörbuchwelle. Nicht alles muss veröffentlicht und schon garnicht gelesen werden. Zwischendurch hatte ich beinahe ein wenig Hoffnung: Kann "Das Ikarus-Gen" als Buch zum selberlesen vielleicht spannend sein? Um den Abstand zwischen zwei weit auseinanderliegenden Bahnhofskiosken zu überbrücken eventuell. Denn streckenweise will man wirklich weiter und hofft auf gute Unterhaltung und wird doch immer wieder herunter geholt vom Himmel. "Das Ikarus-Gen" - ein Buch wie ein amerikanisches B-Movie, banal, unbedarft, unerheblich. Also reine Unterhaltung? Nein, nicht einmal unterhaltend, weil ärgerlich.

(Take IIX: "Auch ich habe die Zukunft gesehen, flüsterte Max...")
Der Hörversuch blieb glücklicherweise ohne schädliche Nebenwirkungen.

"Das Ikarus-Gen" von James Patterson
erschienen bei Lübbe Audio,
5CDs kosten im Handel EUR17,99
Internet: www.luebbe.de

(Charles Ott)

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