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Kommentar

Kommentar vom 22.03.2004

Frühling soll Weimars bunte Vielfalt zum Vorschein bringen - Der Frühling soll am Wochenende auch wieder die Weimarer bunte Vielfalt zum Vorschein bringen, denn anders als der Winter, der sich scheinbar verabschiedet hat, will nun die braune Einfalt in der Klassikerstadt demonstrativ Wurzeln schlagen. Und so beginnt an diesem Wochenende eine Serie von rechten Aufmärschen, welchen sich die erprobte Weimarer Vielfalt laut trommelnd entgegenstellen will. Das altbewährte Motto ?Bunte Vielfalt statt brauner Einfalt? kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die rote Artenliste der Akteure sehr lang geworden ist. Haben sich bei den ersten Aktionen im Jahr 2000 noch jede Menge bunte Vereine, politische Vertreter, Institutionen, Gewerbetreibende und engagierte Bürger der Stadt dem Bündnis gegen Rechts verpflichtet gefühlt, haben sich die Reihen der Aufrechten während der Vorbereitungstreffen sichtbar gelichtet. Die Mammutaufgabe, für eine wahrnehmbar demokratische und lebenswerte Stadt, in diesem Jahr etliche Demonstrationen und Aktionen organisieren und durchführen zu müssen, ist inzwischen auf wenige Schultern verteilt. Die Ursachen und der Verlauf, dass in Weimar wie in vielen anderen ostdeutschen Orten eine breite Abgestumpftheit gegenüber rechten Aufmärschen fühl- und sichtbar ist, wird sicher die Grundlage für die eine oder andere sozialwissenschaftliche Diplomarbeit sein, zu beklagen ist diese Gleichgültigkeit aber in jedem Fall. Das Wegsehen über den Ist-Zustand regelmäßiger rechter Gewalt, rechter Propaganda aber auch eines hohen Organisationsgrades bei so genannten Kameradschaften und nationalrevanchistischen Gruppierungen in dieser Stadt, führt zu einem derartig unappetitlichen Lebensklima, wie man es sonst nur aus der einen oder anderen mecklenburgischen Provinzgemeinde kennt.
Wenn der selbst ernannt Reichsbürger Feyertag regelmäßig zu nationalen Stadtführungen vorbei an Kultstädten des dritten Reiches nach Weimar lädt und sich die Bürger bei dem Vorbeimarsch dieser Gruppen an die Häuser drücken, muss doch klar werden, dass es hier nichts zu verhindern, sondern zurück zu drängen und einzudämmen gilt. Das es nicht geschieht oder besser nicht mehr gesellschaftlich opportun ist gegen rechts zu sein, hat sicher auch damit zu tun, dass die Menschen heute den Arztbesuch bedrohlicher für ihre Lebenssituation empfinden, als eine Gruppe Kahlköpfiger, die vor dem Supermarkt Bier trinken oder sich gemeinsam mit 50 Gleichgesinnten vor dem Nationaltheater zum Fototermin aufbauen.
Dieses Jahr ist Wahljahr. Für Europa, Thüringen und Weimar stellen sich Politiker auf, um Bürgerinteressen zu vertreten. Das Wahlvolk ist an die Urnen gerufen - darunter 150.000 Thüringer Erstwähler. Nach einer Studie der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben 30% der Thüringer Jugendlichen zum Teil rechtsextreme Ansichten. Viele von Ihnen haben noch vor ihrem ersten Wahlkreuz das Vertrauen in die Demokratie verloren und Toleranz erst gar nicht entwickelt. Wenn also in Weimar wieder unverholen nach einem Großdeutschland gerufen wird oder sich die provisorische Reichsregierung zu Wort meldet, dann sollten die Politiker dieser Stadt Motor einer Bewegung sein, die sich gegen solche Umtriebe stellt.
Der morgige Samstag wird ein wichtiger Meilenstein für Weimar sein. Gibt es einen teilnehmerreichen rechten Aufmarsch ohne nennenswerten und vor allem breit getragenen Widerstand der Bürger, ist dass eine Einladung an alle, die ihren Schwachsinn hier auf die Straßen tragen wollen. Die bisher für dieses Jahr angemeldeten 20 rechten Demonstrationen könnten dann Weimar zu einer neuen überregionalen Bekanntheit verhelfen.
Weimar, ist das nicht die Stadt wo jedes Wochenende die Rechten durch die Innenstadt ziehen?

(Frank Lange)

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