Kommentar
Kommentar vom 22.05.2006
Vorbei! Vorbei? - LOTTE im Wahlkampfzwist - Es wurde Zeit, daß es vorbei ist. Der Wahlkampf um's Oberbürgermeisteramt hat die Stadt gelähmt und nicht im Ansatz für das gesorgt, was die Kandidaten gerne verbreitet hätten: für Aufbruchstimmung nämlich. Im Gegenteil!
Der Stadtrat tagt seit März nicht mehr, was von vornherein eine Schnapsidee gewesen ist. Die bürgerliche Koalition aus CDU und weimarwerk wollte damit erreichen, das handfeste kommunalpolitische Themen nicht im Wahlkampf auf der Strecke bleiben. Erreicht haben sie was ganz anderes. Das entstandene Vakuum ist ausgefüllt worden zunächst mit inhaltsleeren Worthülsen, mit Torwandschießen, Wackeldackeln und roten Ostereiern. Und dann kam der Schmutz. Die Gerüchteküche brodelte seitdem, aber es kam aus ihr meist nur Ungenießbares auf den Tisch.
Und weil die Kandidaten allesamt zu feige waren, sich ernsthaft mit ihren Konkurrenten auseinander zu setzen, wurde ein Ersatzgegner gesucht und gefunden: die lokalen Medien wurden akribisch beobachtet und auf Spuren mangelnder Ausgewogenheit hin durchforstet.
Leute saßen mit der Stoppuhr vor Radio- und Fernsehgeräten und haben gemessen, welcher Kandidat und welche Gruppierung länger geredet hat als die anderen.
Als ob es nicht darum ginge, was jemand zu sagen hat, sondern wieviele Wörter er dazu verwenden darf.
Dabei ist es doch eher von Vorteil, wenn einer in der Lage ist, kurz, dicht und kraftvoll zu reden.
Es war aber auch sonst die Zeit der Kümmelspalter und Korinthenkacker. Und Mißgunst machte die Runde.
Wenn der Sozialstaatssekretär Stephan Illert ein Interview geben sollte, wurde Radio LOTTE sogleich zum CDU-Wahlkampfsender degradiert. Vermeintlich links-liberale Kräfte forderten uns auf, die angeblichen Machenschaften des weimarwerk-Kandidaten Wolfgang Hölzer aufzudecken, obgleich keiner der Vorwürfe handfest untermauert gewesen ist. Anonyme Wahlkämpfer machten gar mit Postwurfsendungen und E-Mail-Aktionen Stimmung, in denen sie irgendwo aufgeschnapptes Halbwissen über die scheinbare Gängelung unseres Radios durch die Bürgerlichen verbreiteten.
In ihrer grenzenlosen Naivität bildeten sie sich dabei auch noch ein, uns einen Gefallen zu tun.
Gleichzeitig befand die Gegenseite, wir sollten unseren Hörern doch endlich mal erzählen, daß sich der SPD-Kandidat Wolf seinen Wahlkampf von Kriminellen besorgen lässt. Und außerdem sei der Wolf doch gar keiner von uns. Er verschweige, daß er aus Westberlin stammt.
Wer auch immer uns in dieser Wahlkampfzeit mit seinen Tips zur Berichterstattung bedacht hat, mehr oder weniger unterschwellig war da oft eine Drohung herauszuhören: Wir sollten doch auch mal an unsere Zukunft denken. Schließlich lebe unser Sender vom Wohlwollen dieser Stadt.
Radio LOTTE Weimar hat sich unterdessen nicht einschüchtern lassen, von niemandem. Und wir werden auch weiter versuchen, ausgewogen alle Seiten zu Wort kommen zu lassen und wenn nötig, nach allen Seiten auszuteilen.
Im LOTTEClub ist, wofür wir dankbar, sind auch die Weimarer Politik engagiert: Leute aus der CDU und dem weimarwerk, von SPD und Grünen und Linkspartei.
Und sie werden hoffentlich alle wissen, daß sie damit für einen Sender ihren Beitrag leisten, der auch sie selbst im Falle eines Falles ins Visier nehmen muß und wird.
Was den Wahlkampf angeht, gilt indes auch ganz subjektiv und im eigenen Interesse gesprochen: Es wurde Zeit, daß es vorbei ist.
Aber hoffentlich ist es auch wirklich vorbei.
(Michael Helbing)