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Kommentar

Kommentar vom 05.07.2006

Messias in der Schmollecke - Rücktritt von Frank Siegmund - Oberbürgermeister Stefan Wolf ist keine drei Tage im Amt und schon legt er einen Fehlstart hin. So könnte auf den ersten Blick das Fazit lauten nach den Ereignissen des gestrigen Tages. Aber eben nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten liest sich das schon ganz anders. In Wahrheit ist Wolf nämlich gestern als Sieger vom Platz gegangen. Der Rücktritt von Frank Siegmund als Geschäftsführer der weimar-GmbH kommt ihm sehr gelegen. Wolf hat nie einen Hehl daraus gemacht, was er von einer Doppelspitze bei der Gesellschaft für Marketing, Tourismus und Wirtschaftsförderung hält: gar nichts. Wolf war schon als zuständiger Dezernent vollauf zufrieden mit dem, was Geschäftsführerin Ulrike Köppel geleistet hat. Unter ihrer Führung sind die Besucherzahlen der Stadt immerhin wieder auf über eine halbe Million gewachsen. Aber Frau Köppel dürfte für Wolf auch besser beherrschbar sein als der langgediente Brauereigaul Siegmund.
Dessen Rücktritt gestern ist jedenfalls ein Armutszeugnis. Als Messias der Wirtschaftsförderung willkommen geheißen, endet er vor der Zeit in der Schmollecke. Man wird nicht seriös behaupten können, daß ihn irgendwer vermissen wird. Dafür war er viel zu kurz im Amt. Nicht einmal die berühmten hundert Tage hat er durchgestanden. Siegmunds Hoffnung und Erwartung war es wohl, einen roten Teppich ausgebreitet zu bekommen, auf dem er uns alle in eine lichte Zukunft führen wollte. Stattdessen bekam er Widerstände zu spüren, vor denen er nun zurückgewichen ist. Das spricht nicht eben für die Durchsetzungskraft, für die er so gerühmt worden ist. Siegmund wird gewusst haben, daß seine Bestallung nicht nur ein wirtschaftspolitischer Schachzug gewesen ist, sondern eben auch ein Versuch des weimarwerkers und Aufsichtsratschefs Wolfgang Hölzer, sich im Wahlkampf zu positionieren. Ein Versuch, der übrigens weniger zu Lasten des SPD-Konkurrenten Wolf gehen sollte, sondern zu Lasten des CDU-Partners Stephan Illert. Siegmund ist deshalb kein Opfer der Lokalpolitik, er ist vielmehr ihr williges Instrument gewesen.
Keiner kann wissen, was er wirklich zu leisten imstande gewesen wäre. Seit seinem Amtsantritt im April ist er jedenfalls recht unauffällig geblieben. Und das lässt sich kaum mit den besonderen Umständen von Wahlkampfzeiten begründen für einen, der von sich behauptete, jenseits des politischen Feldes agieren zu wollen.
Vielleicht hat die CDU-weimarwerk-Koalition ja Recht, wenn sie den Abgang als Verlust für die Stadt beschreibt. Vielleicht stimmt aber auch die Version des Oberbürgermeisters, der von einem Befreiungsschlag gesprochen hat. Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren.

Stefan Wolf hat jedenfalls einmal mehr beweisen können, daß er politischen Instinkt und Verstand besitzt. Die Gegner im Stadtrat waren vorgeprescht mit ihrer innovativen Personalie. Wolf hat sie einfach ausgebremst. Daß er sich die Wirtschaft als Aufgabenfeld ins Rathaus geholt hat, spricht zunächst für Machtbewusstsein und Gestaltungswillen. Nun muß er allerdings auch beweisen, daß er auf der richtigen Spur fährt und mit seinen Vorstellungen etwas bewegen kann für Weimar. Und er muß dafür sorgen, daß die weimar-GmbH jetzt nicht abstürzt. Denn sonst wird, was kein Fehlstart war, doch noch eine Bruchlandung.

(Michael Helbing)

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