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Kommentar

Kommentar vom 11.11.2008

Gefährliches Geschwätz - Der 9. November liegt hinter uns. Ein mehrfach besetzter Gedenktag. Mauerfall, Republikgründung, Reichspogromnacht. Pflichtschuldig gedachten Offizielle und andere folgenlos Betroffene der Opfer. Gedenken und Nachdenken können allerdings einige Vertreter unserer Gesellschaft offenbar nicht in einen sinnvollen Zusammenhang bringen.

Da vergleicht der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung die Kritik an Managern mit dem Antisemitismus der dreißiger Jahre. Der niedersächsische Ministerpräsident setzt noch eins drauf und spricht vor laufender Kamera von einer Pogromstimmung. Und ein Baden-Württembergischer CDU-Politiker beschimpft den unbeirrbaren Widerstandskämpfer und unerschrockenen Kirchenmann Dietrich Bonhoeffer als einen ganz gewöhnlichen Landesverräter.

Der Aufschrei hält sich in Grenzen. Angesichts US-Wahl, Hessen-Qual und Finanzkrise gehen die gedankenlosen Entgleisungen oben genannter Biedermänner und Brandstifter beinahe unter. Die mediale Überfütterung sorgt in unserem Land wieder einmal für geistige Verstopfung.

Der Thüringer Ministerpräsident pflanzt in Israel einen Baum und sein niedersächsischer Kollege pinkelt an denselben. Das beide der selben Partei angehören, macht die Sache auch nicht besser. Engagierte Kämpfer gegen Rechts müssen sich ob solch unreflektierter Ergüsse die Haare raufen. Wie soll man jungen Menschen ein Bewusstsein um die Gefahren rechtsradikalen Gedankenguts vermitteln, wenn so genannte Stützen der Gesellschaft munter mit Hetzphrasen um sich werfen anstatt ihrer Vorbildfunktion nachzukommen? Was ist das nur für ein geistiges Klima, in dem eine Relativierung grausamer Vergehen gegen die Menschenrechte möglich ist? Sind Gedenktage denn nur noch Schauveranstaltungen ohne innere Einkehr?

Den drei Herren sei nahe gelegt, alsbald ihren Hut zu nehmen. Sie brauchen ihn nicht mehr, da sich offensichtlich nichts schützenswertes unter ihm befindet. Dabei ist dieses Trio Banale nur die Spitze des Eisbergs. Der Mangel an historischem und ethischem Bewusstsein bei zahlreichen Repräsentanten des öffentlichen Lebens ist erschreckend. Von Ackermann bis Zumwinkel ist eine nicht hinnehmbare Verrohung und mangelndes Unrechtsbewusstsein festzustellen.

Macht und Abschottung formen zunehmend eine Gesellschaftsschicht, die sich ethischen Normen nicht mehr verpflichtet fühlt. Und die darf sich dann auch noch Elite nennen. Wo ist die moralische Institution, die Person, deren Stimme Gehör findet und derartige Misstände anprangert? Es kann doch nicht sein, dass der Zentralrat der Juden unser einziges Korrektiv darstellt, wenn gesellschaftliche Verantwortung im Umgang mit unserer Geschichte gefragt ist.

Wie sagte der Maler Max Liebermann im Jahre 1933?
"Ach, wissen Se, ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte." Vielleicht sollte man auch ihm einen Gedenktag einrichten. Oder besser doch nicht, sonst gerät er auch noch in Vergessenheit.

(Michael Schlag)

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