Buchrezension
Buchrezension vom 22.01.2014
"Felix' Revolution" von Christoph Assheuer - Es waren die 70er Jahre als der noch junge Christoph Assheuer auf die Fahndungsplakate des Bundeskriminalamtes geriet. Zwar hatte er sich in einer der damals häufig anzutreffenden Gruppen der der außerparlamentarischen Opposition engagiert und sich an Demonstrationen beteiligt, doch Konkretes lag eigentlich nicht gegen ihn vor. Nicht weiter schlimm also? Das kann man auch anders sehen, zumal die Zeiten diesbezüglich hart waren und der Fahndungsdruck gegenüber vermeintlich Linksradikalen hoch war.
Im Nichtwissen darum, ob er den Strapazen einer drohenden Untersuchungshaft gewachsen sei, zog Assheuer es vor vorerst abzutauchen und so führte ihn sein Weg nach England und Frankreich.
Nun hat Assheuer all seine Erfahrungen aus der Illegalität in einem Roman gebündelt.
„Felix' Revolution“ ist der Titel des rund 540 Seiten starken Buches aus dem kleinen Berliner KLAK-Verlag.
Der Protagonist des Romans ist der sauerländische Schüler Felix Guthammer. Aufgewachsen im bürgerlichen Haushalt eines Kleinindustriellen und dessen zurückhaltender Frau, entdeckt Felix seine Ambitionen frei zu sein. Zunächst setzt er einen Wechsel auf ein anderes Gymnasium durch, eines in dem eigenständiges Denken nicht umgehend als Aufruhr gegen das System gilt. Die Beziehung zum Vater ist schwierig und so sucht Felix immer mehr den Kontakt zur außerfamiliären Welt. Über Freunde gelingt ihm alsbald das erste Mal eine Fahrt ins große freie Paris, eine Stadt welche ihn nachhaltig beeindruckt.
Später, als er in Westberlin studiert, weil man da sicher vor den Nachstellungen des Bundesheeres ist, taucht er mehr und mehr in die K-Gruppen- und Spontiwelt ein, ist in der Roten Hilfe aktiv und sucht immer wieder Kontakte zu politisch interessierten Studenten. Insbesondere die Knast-Thematik um Psychoterror gegen Gefangene und Isolationshaft reizt Felix und im Bestreben endlich den vielen guten Worten auch Taten folgen zu lassen, überlässt er einer Genossin seine „Pappe“, die ein anderer Genosse dringend benötigt um den Systemschergen zu entgehen. Eine Handlung mit Folgen wie sich zeigen wird.
Zunächst wirkt Assheuers Roman vor dessen eigener Biografie (bzw. dem wenigen, was die Leser aus dem hinteren Klappentext über ihn wissen) ein wenig holprig. Ist Felix nur eine schwache Tarnung für den Autoren selbst? Verstärkt wird dieser Eindruck immer wieder durch eingestreute Sachinformationen zur damals aktuellen politischen Situation in der Bundesrepublik oder auch andernorts. Verwirrend ist das schon ein wenig, trotzdem aber trägt genau dies auch zum Verständnis der Gesamtgeschichte bei, ohne dass man gleich ein APO-Geschichtsbuch zur Hand haben muss.
Immer mehr taucht der Leser ein in Felix' Revolution, genauer, in seine Welt, welche bei weitem nicht immer eine reale ist, sondern vielmehr eine Wunschwelt in der sicherlich viele Zeitgenossen lebten, die große Weltrevolution stand unmittelbar bevor und es war sicher nur eine Frage der Zeit bis die revolutionären Massen endlich ihre Geschicke in die eigenen Hände nehmen. Das Ergebnis ist bekannt. Aber Felix verliert sich nicht darin, sondern ganz im Gegenteil, immer wieder reißt ihn eine Erfahrung oder Begegnung zurück in die Realität, mal weil er sich nicht traut weiter zu gehen, mal, weil er Menschen begegnet mit denen er seine Träume teilen kann, Menschen, die aber trotzdem einen anderen Blickwinkel auf das Weltgeschehen haben. Eine der nachhaltigsten Erfahrungen für ihn ist die Begegnung mit den tschechischen Musikern der Band „Plastic People of the Universe“, einer Band, die im vermeintlich freien und antifaschistischen Ostblock ihre eigenen Erlebnisse verarbeiten muss. Felix wird zum kritischen Zweifler.
Für eine Zeit will Felix eine Aktionspause einlegen, nachdenken, sich besinnen. Er reist für ein paar Tage nach London. Währenddessen werden in Berlin Mitglieder der Spontiszene festgenommen und plötzlich liest er seinen eigenen Namen in der Springerpresse. Für Felix beginnt eine länger anhaltende Odyssee.
„Felix' Revolution“ ist die Geschichte einer Jugend, einer sehr persönlichen vielleicht (obschon der Autor am Ende des Buches extra den Hinweis platziert: Handlungen und Dialoge in diesem Roman sind frei erfunden), und trotzdem ist es die Geschichte einer Jugend vieler, Hunderter, vielleicht auch Tausender, die damals wie auch später ähnliche Träume und Vorstellungen hatten und entsprechende Erfahrungen gesammelt haben.
„Felix' Revolution“ ist ein Buch, welches durchaus als Ergänzung zu Stefan Austs „Baader-Meinhoff-Komplex“ gewertet werden kann, denn es ist aus der Perspektive eines nicht unbetroffenen Zeitzeugen entstanden.Der Autor zeichnet ein detailreiches Bild der jüngeren deutschen Geschichte.
Und für mich das Wichtigste an diesem Roman: er ist kein Ablegen gescheiterter Vorstellungen auf dem berühmten „Misthaufen der Geschichte“, sondern ein kritischer wie auch positiver Blick auf den Umgang mit Idealen und Utopien.
(Shanghai Drenger)