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Kommentar

Kommentar vom 05.02.2014

Die Deutschen und ihr Adel - ein Kommentar - Die Deutschen und ihr Adel- eine unendliche Geschichte, die für die Blaublüter am Ende meist noch gut ausging. Was auch immer sie im Verlauf der Geschichte angestellt haben, ob nun die Untertanen ausgepreßt, Hitler mit in den Sattel gehoben – und und und …, irgendwie kamen sie immer davon und machten auch noch ihren Schnitt dabei. Die nächste Ladung gibt’s im November, dann muß bereits 1994 gemäß Ausgleichsleistungsgesetz angeblich zu Unrecht enteignetes Eigentum an Adlige zurückerstattet werden. Das gefällt nicht jedem. Hier und da ist schon ein gewisses Rumoren zu vernehmen. Das wiederum erzürnt den Adel. Jürgen Marschall hat die Problematik mal hinterfragt:


Seine Königliche Hoheit Prinz Michael Benedikt von Sachsen-Weimar und Eisenach- soviel Zeit muß sein- verspüren Stimmungen in Thüringen, und zwar adelsfeindliche! Diese ebenso unfaßbare wie unverfrorene Impertinenz der undankbaren Untertanen ließ Seine Königliche Hoheit umgehend nach seinen Domestiken von der bisher als MDR deklarierten „Großherzoglich Sachsen-Weimarischen Verlautbarungsanstalt“ –GSWVA- läuten. Diese nahmen auch alleruntertänigst Hoheitens schon von Gottes Gnaden her alleinrichtiges und einziggültiges Paradigma zur Kenntnis. Danach bräuchte niemand sich zu wundern, wenn der Adel seine ihm per erfolgreicher Konterrevolution unerwartet wieder in die Finger geratenen Wertgegenstände nun zusammenraffe und bei diversen gehobenen Flohmärkten, wie Christie‘s oder Sotheby’s verramsche. Und überhaupt, als Gipfel der Unbotmäßigkeit, habe sich bisher noch niemand bei ihm- Seiner Königliche Hoheit - dafür bedankt, daß einst ein gewisser Goethe seine heute „klassisch“ genannten Werke nur zusammenzufabulieren vermochte, weil der Weimarische Hof dafür die Bedingungen geschaffen habe.

Nun wird in der Tat niemand ernsthaft widersprechen, daß die seinerzeit in Weimar herrschenden Umstände es dem Goethe durchaus erleichtert haben, sein Talent zu entfalten und sich nebenbei auch ein kleinwenig in Staatskunst zu üben. Dabei rettete er das damalige Duodezfürstentümlein unter anderem vor dem Staatsbankerott, indem er den Militäretat zusammenstrich! Also wer hat hier wem was ermöglicht? Ohne Goethen wären die Sachsen-Weimarer und Eisenacher –soviel Zeit muß sein- geradewegs in die Pleite gerauscht und aus wär’s gewesen mit der ganzen Herrlichkeit. Ohne Goethes Wirken in Weimar– und dem all der anderen Geistesgrößen- würde heutzutage kein … also niemand mehr den Namen „Sachsen-Weimar“ auch nur kennen. So rum wird ein Schuh draus.

Seine Königliche Hoheit Prinz Michael Benedikt von Sachsen-Weimar und Eisenach- soviel Zeit muß sein- haben allerdings höchstderoselbst geruht, huldvoll darauf zu verweisen, daß die seiner königlichen Meinung nach zu Unrecht geschmähten Fürsten Kunst und Kultur gefördert und somit etwas geschaffen hätten, wovon das Land der Dichter und Denker noch heute profitiere. Weshalb vermochten sie aber Kunst und Kultur zu fördern? Weil sie die Mittel- vulgo das Geld- dafür hatten. Woher aber hatten sie dieses? Weil sie ihre Untertanen ausgepreßt haben, mit Steuern, Abgaben und Frondiensten. Schließlich waren sie der Adel – und damit die herrschende Klasse im Feudalismus. Die hatte zu Goethens Zeiten gerade die absolute Macht über alles und jeden, weshalb das Ganze ja auch Absolutismus hieß.

Es hing von der Laune des jeweiligen Duodez-Fürsten und dem Grad seiner individuellen inzestuösen Degeneration ab, was er mit dem aus seinen Untertanen herausgepreßten Mehrwert anstellte. Er konnte ihn verjubeln oder verjuxen, ein stehendes Heer aufbauen, um die lieben Vettern auszuplündern- oder eben auch die schönen Künste fördern. Er konnte auch heute das eine und morgen das andere tun- eben nach Laune oder Gutsherrenart. Er konnte auf seine Ratgeber hören – und sie in die Wüste schicken, wenn er deren Ratschläge nicht zu ästimieren vermochte. Wie sich das dann auf die Qualität der Ratschläge ausgewirkt hat, soll hier nicht weiter erörtert werden- nur so viel: Das muß oft ein kleiner Vorgeschmack auf den Stalinismus gewesen sein- ist aber jetzt hier nicht Thema. Die Vorfahren von Prinz Michael Benedikt von Sachsen-Weimar und Eisenach- soviel Zeit muß sein- waren ja wenigstens so schlau, ab und an auf Goethen zu hören.

Noch eine Bemerkung zur adelsfeindlichen Stimmung, über die Seine Königliche Hoheit sich zu echauffieren gezwungen sahen: Eine wirklich adelsfeindliche Stimmung gab es zwischen 1789 und 1799 in Frankreich, als ein gewisser Bürger Robespierre sich anschickte, den Zorn seiner geplagten Landsleute so aufzuheizen, daß sie den Notablen tatsächlich im Wortsinne an den Kragen gingen. Davon sind wir doch im stillen Germanien immer weit entfernt gewesen, eine bürgerliche Revolution hat es hier nie gegeben, in weiten Landesteilen ist der Adel niemals real entmachtet worden. Daß die Monarchie 1918 als Staatsform abgeschafft wurde, haben viele der Blaublüter doch gar nicht wahrgenommen. Es gab da lediglich dieses kleine unliebsame Zwischenspiel zwischen 1945 und 1989, als in dem engen Rayon zwischen Elbe und Oder die „von und zu Rotz zu Kotz“ wirklich davongejagt wurden oder aus Angst vor der „roten Gefahr“ und den „bolschewistischen Horden“ lieber gleich von selber flitzten, um bei den Amerikanern unterzukriechen.

Es ist wohl das Grunddrama des deutschen Adels und des ihm einst gezwungenermaßen untertänigen Pöbels, daß beide nie wirklich begriffen haben, daß der Adel historisch überlebt ist und als gesellschaftliche Klasse keinerlei Existenzberechtigung mehr hat. Es hat offenbar gar nichts bewirkt, daß dem Adel 1919 formell die Macht entzogen worden ist, weil sie ihm der das Untertanendasein verinnerlicht habende Pöbel ideell niemals abgesprochen hat. Im Gegenteil, er hat weiterhin freiwillig gekatzbuckelt. So wurde auch die angebliche Rechtmäßigkeit der nach 1989 herbeigeführten sogenannten Restitution von breiteren Gesellschaftskreisen niemals ernsthaft angezweifelt. Von mir mal abgesehen. Diese Adelsschranzen sind heute so nötig, wie die einst unter ihnen verbreitete Syphilis.

Sie maßen sich Privilegien auf Verdienste an, die sie niemals erworben haben. Sie selbst haben persönlich niemals irgendetwas geschaffen, was sie dazu berechtigen würde, heutzutage noch irgendwelche Forderungen zu stellen, an wen auch immer. Um so mehr bin ich erschüttert, wenn ich feststelle, daß sich außer mir offenbar niemand daran stört, dieser reaktionären Kaste eine Million nach der anderen in den Rachen zu werfen und das Ganze auch noch „Recht“ zu nennen. Schon die Art und Weise, wie sie sich dereinst ihren Reichtum verschafften, war – wie schon gesagt- Unrecht. Wie kann dann die „Restitution“ Recht sein? Und- woher kommen denn die ganzen Millionen? Aus der Staatskasse. Wer füllt diese? Der Steuerzahler. Da kann man am Ende noch froh sein, daß man selbst so arm ist, daß man keinerlei Steuern zahlen muß. Der Trost allerdings ist schwach, weil das Geld, welches jetzt der Adel abkassiert, kann natürlich für soziale Zwecke nicht mehr ausgegeben werden. Es sei denn, die Hoheiten und Durchlauchten lassen sich gnädig herab, zu stiften oder gar zu spenden. Das können sie, einige tun das sogar. Aber sie müssen es nicht, wenn sie es tun, dann erweisen sie uns eine Gnade- so wie früher halt.

(Jürgen Marschall)

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