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Kommentar

Kommentar vom 11.03.2014

Wer braucht schon Freiheit? - Rousseau hat gesagt: „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.“
Das ist mein Lieblings-Zitat über die Freiheit. Irgendwie ist Freiheit ein viel benutztes Wort im Netz in diesen Tagen. Ob es um die Ukraine geht, um Tierschutz, um den Wahlkampf oder einfach nur ums Glück – immer taucht da das Wort Freiheit auf. Klingt ja auch gut. Wenn da nur das berühmte „aber“ nicht wäre. Sicher, jeder kann stundenlang, wochenlang über Freiheit philosophieren. Haben ja auch schon hunderte getan. Aber was passiert mit der Freiheit, wenn man sie sich nicht nimmt? Reinhardt Mey hat die Antwort gefunden. Er meint: „Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!“ Das denke ich auch. Nicht nur, weil die Demokratie ständig auf Trab gehalten werden muss, sondern auch, weil man sonst verlernt, den Mund auf zu machen. Können sich ja auch andere drum kümmern. Bin ja kein Politiker. Muss ja erstmal an meine Familie denken. Die Crux ist, wenn jemand anderes meine Freiheit einschränkt, merke ich das schnell. Und reagiere entsprechend. Wesentlich schwieriger ist es, wenn ich das selber tue. Das Einschränken. Durch Bequemlichkeit, Dummheit oder Ignoranz. Oder aus Angst vor Strafe. Dabei sind die Strafen hier zu Lande ein Witz. Es gibt Länder auf der Welt, da bezahlt man im schlimmsten Fall mit dem Leben, wenn man für sich oder andere Freiheit fordert. Ein Beispiel für Freiheit ist es, dass jemand seine Meinung frei äußern darf, ohne dass er von anderen daran gehindert wird. Dazu kommt, dass auch die Kommunikationsmittel und der Zugang zu den Medien zur Verfügung stehen müssen. Dass er also seine Meinung äußern kann. Nun will also Erdogan das Netz in der Türkei beschränken. Facebook gar ganz abschalten. Ich höre aber keinen weltweiten Aufschrei. Nichts über Menschenrechte. In der Ukraine und Russland werden weiter Demonstranten verhaftet. Und Ed Snowden? Was macht der eigentlich gerade? Wird er, weil man ihn nicht fangen konnte, jetzt totgeschwiegen? Und wir? Die wir hier komfortabel und ohne großes Risiko unsere Meinung frei sagen können? Sehr viele Demos gab es in den letzten Tagen. Zum Beispiel zum Schutz der Hebammen. Sicher waren Leute da. Aber nicht genug. Was nämlich bei der ganzen Definiererei oft vergessen wird: Voraussetzung für Freiheit ist, dass jemand überhaupt eine Meinung hat und dass die tatsächlich geäußert wird. Überall wird Zivilcourage gefordert. Dass die aber damit anfängt, dass jemand „Nein“ sagt, wird vergessen dabei. Ich muss mich nicht in eine Prügelei einmischen. Aber – ich kann sagen: „Hört auf damit“. Und wenn ich das nicht tue, gebe ich meine Freiheit auf. Ich schaue einfach nur weg und schon ist eines der wichtigsten Rechte des Menschen mit Füßen getreten. Sicher hat man nicht immer Erfolg. Aber das zählt doch nicht. Was zählt ist, dass ich meine Meinung sage. In Kauf nehme, dass sie falsch ist. In Kauf nehme, dass ich schief angeguckt werde oder einen blöden Spruch kassiere. Im schlimmsten Fall mag mich jemand nicht mehr. Oje! Dass Schlimmeres passiert, dass es gefährlich wird für mich, ist die Ausnahme. Und die gibt es nur deshalb, weil es so selten geworden ist, dass jemand aufbegehrt. Die Freiheit hat sich abgenutzt in diesem Land. Jetzt gibt es die Forderung nach einer Wahlpflicht. Jeder, der wählen kann, soll das auch tun. Und zu wählen gibt es einiges in den nächsten Monaten. Nur – geht das? Kann man jemanden zwingen, seine Freiheit zu benutzen? Seine Meinung zu sagen? Und wenn man es kann, wozu soll das gut sein? Das Wahlthema wird im Grunde in jeder Vereinssatzung diskutiert. Beim Punkt: Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung. Früher bedurfte es meist 2/3 der Mitglieder, um einen Beschluss zu fassen. Aber heute sind selten mehr als die Hälfte überhaupt da zur Mitgliederversammlung. Also schreiben die meisten inzwischen: „Es entscheidet die einfache Mehrheit der Anwesenden.“ Und die, die nicht kommen, haben Pech. Und können nicht mitreden. Aber vielleicht stört das auch keinen. Ist ja schließlich viel einfacher zu leben, wenn man sich nicht andauernd entscheiden muss. Wer braucht schon Freiheit, wenn sie die Bequemlichkeit stört?

(Grit Hasselmann)

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