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Kommentar

Kommentar vom 12.04.2002

Kontrollierte Show - Nein, ich kann mich nach wie vor nicht für Geheimdienstler begeistern. Auch wenn sie mittlerweile als russische Präsidenten fungieren. Putins Besuch war, wie schon bei den letzten Visiten, ein von PR-Beratern ausgeklügeltes Konglomerat zwischen Sympathieoffensive und politischer Kundgebung. Und da ehemalige DDR-Bürger wie ich mit Deutsch-sowjetischer Freundschaft und verordneter Bruderliebe genug geimpft worden sind, mag man es verzeihen, dass ich mich nicht zu den jubelnden Spalierstehern gesellt habe.

Nun ist Staatsbesuch und übertriebene Sicherheitsdemonstration in Weimar jüngste Geschichte. Die Demonstranten wurden erwartungsgemäß medial bedacht und trotzdem an den Rand gedrängt. Die speziellen Sitzmöbel werden nun aus dem Rathaus wieder nach Berlin gebracht, und manche Leute finden das normal und ordnen es dem diplomatischen Ambiente zu.

Was bleibt, ist die zweimalige Wiederholung der Sendung „Boulevard Bio“, und die ist nun vielleicht neben Staatsschuldenerlaß, umstrittener Beutekunst und hölzernen Freundschaftsbezeugungen doch ein paar Bemerkungen wert. Denn was da am Dienstagabend kurz vor Mitternacht aus dem Foyer des DNT über öffentlich-rechtliche Mattscheiben lief, möchte ich bitte so nicht mehr erleben.

„Boulevard Bio“ ist eigentlich als anspruchsvolle Unterhaltungs-Talkshow angetreten. Dr. Alfred Biolek hat früher mal van Veen in Deutschland bekannt gemacht, dafür danke ich ihm noch immer. Aber er ist in dieser 346. Sendung, welche live ausgestrahlt wird, spürbar in die Jahre gekommen, lacht eitel über eigene flache Bonmonts, und räuspert sich unverhältnismäßig oft, was sein Senderteam als Nervosität interpretiert. Für mich könnte es auch das Abhusten des Schleims bedeuten, welcher Bioleks abgesprochene und unterwürfig gestellte Fragen an die Staatsoberhäupter Schröder und Putin begleitet. Schröder wirkt gelassen, und sehr souverän. Putin sitzt dagegen häufig angespannt in der Dreierrunde, obwohl er sich sogar auf seinen eigenen Dolmetscher im Hintergrund verlassen kann. Anfangs versucht Biolek ihm noch einen Witz zu entlocken, angeblich soll der russische Präsident damit den Niedersachsen öfter zum Lachen bringen. Doch bleibt dieses ein Wunsch unter vielen, ebenso die Erwartung nach etwas Privatheit oder überraschender Offenheit. Zu sehr hat Putin den kontrollierenden Machthaber verinnerlicht. Sicher will er gerne souverän wirken, doch es gelingt ihm einfach nicht, trotz Bekenntnis zum deutschen Bier, staatsmännischer Männerfreundschaft und historisch korrektem Geschenk. Selbst sein gelegentliches Lächeln gerät zur Grimasse.

Geheimdienstler haben ja manchmal eine etwas verquere Logik. Gefragt, warum die Russen die Deutschen mögen, versteigt sich Putin zu der These, die Russen wären durch die Deutschen im zweiten Weltkrieg nicht besiegt worden (das sicherlich unbestritten), und gerade deshalb hätten sie eben Vertrauen. (Dass der deutsche Einmarsch mit unsäglichen Gräueltaten begleitet wurde: Schwamm drüber???) Spätestens danach können mich Putins Antworten zu Tschetschenien und Pressefreiheit nicht mehr wirklich aufregen. Und irgendwie ziehe ich ketzerisch Parallelen zu früheren Doktrinen im DDR-Staatsfernsehen. Aber vielleicht sollte ich nicht so fatalistisch enden. Schließlich gibt es noch andere Botschafter aus Putins Reich, wie beispielsweise Wladimir Kaminer. Und solange es solche Menschen gibt, sollte man die Hoffnung auf ehrliche deutsch-russische Freundschaft nicht aufgeben.

(Matthias Huth)

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