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Kommentar

Kommentar vom 10.02.2009

Weimarer Verfassungs-Gedanken - Am vergangenen Freitag fanden im Deutschen Nationaltheater Weimar gleich drei Gedenk- und Festveranstaltungen statt. Anlaß war der Zusammentritts einer frei gewählten Nationalversammlung am 6. Februar 1919. Die Hauptaufgabe der Versammlung bestand in der Verabschiedung einer Reichsverfassung.

Mit dieser so genannten „Weimarer Verfassung“ wurde Deutschland vor 90 Jahren auch de jure zur Republik. Das war das wichtigste Ergebnis der Novemberrevolution von 1918, in der Kaiser und Fürsten zur Abdankung gezwungen wurden. Die Volksmassen schufen damit de facto die Republik, die seinerzeit in Berlin gleich zwei Mal ausgerufen wurde: vom linken Sozialdemokraten Karl Liebknecht und vom rechten Sozialdemokraten Philipp Scheidemann.

Die Weimarer Verfassung mag Geschichte sein, ihre Verabschiedung eine Zäsur in der Geschichte Deutschlands und der Deutschen darstellen, so denken viele und lassen es bei einem Gedenktag sein.

Doch ganz so ist das nicht! Ein wesentlicher Bestandteil der Weimarer Reichsverfassung ist noch heute gültiges Staatsrecht.
Und das betrifft konkret die Abschaffung des bis zum Ende der Monarchie geltenden Staatskirchentums. Mit der Weimarer Verfassung wurde die Trennung von Staat und Kirche festgeschrieben und damit die Glaubensfreiheit des Einzelnen. Zugleich wurden erstmals Konfessionsfreie und deren säkulare Weltanschauungsgemeinschaften den Religionsgemeinschaften rechtlich gleichgestellt. Zumindest auf dem Papier...

Das Grundgesetz der Bundesrepublik übernahm diese Bestimmungen und daher lautet Artikel 140 GG wie folgt:

„Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes“.

Über Artikel 40 der Verfassung des nach 1990 wiederbegründeten Freistaates Thüringen sind die o.g. Artikel nicht nur Bundes-, sondern auch Landesrecht.

Doch Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit sind nicht immer identisch. Davon können in Deutschland gerade Weltanschauungsmeinschaften (und auch viele kleine andere Religionsgemeinschaften) ein Lied singen. Denn nach wie vor werden die Evangelischen Landeskirchen und die Katholische Kirche vom Staat privilegiert und hoch subventioniert.
Während Weltanschauungsgemeinschaften ihre verfassungmäßigen Rechte auch heute noch viel zu oft einklagen müssen, weil diese ihnen von Staatsbehörden verweigert werden.

Ein Nachbemerkung sei mir aber gestattet, selbst wenn diese manchem vielleicht bitter aufstoßen mag. Aber zur geschichtlichen Wahrheit gehört, daß die Weimarer Reichsverfassung eine legale Machtübertragung an die NSDAP und Hitler ermöglichte.

Die Nazis haben in ihrer zwölfjährigen Herrschaftszeit die Weimarer Verfassung nie geändert, geschweige denn aufgehoben. Die demokratisch-republikanische Verfassung stand einer diktatorischen, terroristischen Regierungsführung nicht im Wege.

Das sollte eine bittere Lehre bleiben und ein jeder von uns sollte Buchstaben und Geist unserer heutigen Verfassungen verteidigen und von den Behörden einfordern. Da geht es nicht nur um klassische freidenkerische Themen, wie die Trennung von Staat und Kirche (die bis heute eine „hinkende“ ist) oder die Trennung der Schule von der Kirche. Es geht ganz aktuell um die Bürgerrechte, die im Grundgesetz explizit benannten Grundrechte, die ein heutiger Bundesinnenminister nur zu gerne einschränken möchte... Ich sage nur Schnüffelpraxis, online-Untersuchungen, biometrische Datenerfassung für Reisepässe...

Gelebte Demokratie, staatsbürgerliches Engagement eines jeden – darauf kommt es an, damit Verfassungstexte auch Verfassungswirklichkeit sind und bleiben.



(Siegfried R. Krebs)

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