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Kommentar

Kommentar vom 16.06.2014

Ein Wolf im Schafspelz? Oder eher eine Fehlbesetzung? - Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Unser Bundespräsident will, dass wir öfter zu den Waffen greifen, um unsere Interessen zu schützen. Überall auf der Welt. Das ist weder neu, noch originell, noch überraschend. Warum soll ausgerechnet Gauck nicht auf die Waffenlobby hereinfallen? Weil er Pfarrer ist? Die Kirche ist nie friedlich gewesen. Kreuzzüge, Inquisition, 30jähriger Krieg, Waffensegnungen in beiden Weltkriegen und so weiter. Wie sagt Heine: „Sie predigen öffentlich Wasser und saufen heimlich Wein.“
Und anscheinend regen sich die Politiker auch eher darüber auf, wann Gauck das gesagt hat. Und gar nicht über den Inhalt. Wie auch. Seit 1990 wird die Bundeswehr zu „friedenserhaltenden“ und „friedenssichernden“ Maßnahmen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt. CDU und FDP waren dafür, SPD und Grüne zunächst dagegen. 1992 kippten die Sozialdemokraten, und mit dem Amtsantritt der Rot-Grünen Bundesregierung 1998 unterstützen auch die Grünen derartige Einsätze. Abgesehen davon, dass Gauck die Sicherheitspolitik der Regierung gar nichts angeht, kann seine Äußerung heutzutage doch nicht wirklich jemanden überraschen. Vor ein paar Tagen kam der Rüstungs-Export-Bericht heraus. Wir exportierten Waffen, Panzer und andere militärische Güter im Wert von über 5,8 Milliarden Euro! Allein im letzten Jahr! Das entspricht einer Steigerung von fast 25 Prozent gegenüber 2012. Oder ein paar andere Zahlen:
Momentan beteiligen sich rund 4.600 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr an Einsätzen im Ausland. Mehr als 17 Milliarden Euro haben die Auslandseinsätze seit 1992 gekostet. Die militärischen wohlgemerkt. Humanitäre Einsätze werden extra berechnet. Und irgend jemand muss ja dieses ganze Geld verdienen. Und natürlich soll diese Quelle weiter sprudeln. Und natürlich hilft es da, wenn Regierung und Präsident der Waffen-Lobby nicht viel entgegen zu setzen haben. Ich kann mich erinnern, dass genau das schon Thema war zur Wahl Gaucks zum Präsidenten. Dass er zu schwach ist, zu wenig erfahren im Spiel um Macht und Politik. Jetzt werden plötzlich die alten Geschichten ausgegraben. Dass er gar kein Bürgerrechtler war. Dass er sich erst eingebracht hat in die Bürgerbewegung der DDR als keine Gefahr für Einzelne mehr bestand. Was hat das mit dem Militarismus zu tun? Was ist daran neu? In einem Land, in dem Staat und Kirche eigentlich laut Grundgesetz getrennt sind, praktisch aber gar nicht, in einem Land, in dem die Bundeswehr in den Schulen werben darf – wen überrascht es da, wenn die Waffenlobby den Präsidenten im Griff hat? Mich nervt es eher, wenn das als unüberlegter Ausrutscher abgetan wird. Ein Bundespräsident schwadroniert ja nicht einmal so unüberlegt daher. Er hat ein Team, Redenschreiber und Berater, seine gegenwärtige und eine ehemalige Freundin sind Journalistinnen. Also ist seine Äußerung volle Absicht und kein Ausrutscher. Und es ist beileibe nicht die erste merkwürdige Äußerung des Präsidenten. Brisante Themen vermeidet er mit Hinweis auf seine Rolle, die aufs Repräsentieren beschränkt ist. Also: das Einzige, was mich an dieser Debatte wirklich überrascht ist, wie ein Volk sich diesen Mann zum Präsidenten wählen und ihn dann noch nach all dem im Amt belassen kann.

(Grit Hasselmann)

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