Kommentar
Kommentar vom 24.06.2014
Anstand & Moral meistbietend zu verkaufen - In was für einer Welt leben wir eigentlich? Zugegeben. Geklaut wurde schon immer. Aus Gier, aus Not, aus Spaß. Aber eine Krankenakte zu stehlen, um sie dann meistbietend zu verhökern – wie schräg ist das denn? Und es ist auch völlig egal, ob man Michael Schumacher mag oder nicht. Er ist verletzt. Hilflos. Ausgeliefert. Momentan ist völlig unklar, wie jemand seine Akte stehlen konnte. Im Krankenhaus sollte man eigentlich sicher sein. Erst recht als Prominenter. Wie auch immer. Jetzt bietet der Dieb die Akte den Medien zum Kauf an. 50.000 Euro soll sie kosten. Was sagt das über den Ruf der Medien? Dass sie für Quoten jede Moral und Ethik vergessen? Dass sie ohne Skrupel private Daten verwenden würden, um ihre Auflage zu steigern? Und was sagt das wiederum über die Leser und Zuschauer? Dass sie mittlerweile so sensationsgeil sind, dass sie eine Zeitung kaufen, nur weil da Details aus Michael Schumachers Krankenakte drinstehen? Welcher normale Mensch tut das? Die gleichen Menschen, die auf Schweigepflicht der Ärzte bestehen, wenn es um ihre eigenen Krankheiten geht? Die selben Menschen, die auf der Autobahn Staus erzeugen, weil sie kein Detail des Unfalls auf der Gegenspur verpassen wollen? Die selben Menschen, die sich darüber aufregen, dass Hacker 16 Millionen Email-Fächer geknackt haben? Wo ist der Unterschied? Wo liegt die Grenze? Die Hacker haben wenigstens nur Daten geklaut, die man freiwillig ins Netz gestellt hat. Aber eine Krankenakte? Und andersherum gefragt: Hätte die Person die Akte gestohlen, wenn sie nicht erwarten könnte, dass irgendeine Zeitung ihr Geld dafür zahlt? Viel Geld? Sicher nicht. Denn was nutzt einem so eine Krankenakte. Da sieht es mit normalen Nutzer-Daten schon anders aus. Man kann Kaufgewohnheiten ablesen, Interessen, die Struktur der Familie, kann gezielt Werbung platzieren. Es geht um viel Geld. Genau wie bei den Datenhändlern, die durch Gewinnspiele und so genannte Umfragen ganz „legal“ an unsere Daten kommen. Und am Ende sind die Motive der NSA auch nicht besser. Geld, Macht, Kontrolle – derzeit sorgt der Stand der Wissenschaft anscheinend dafür, dass wir für jeden, der Lust darauf hat, komplett durchsichtig sind. Datenschützer und andere Engagierte versuchen, das zu ändern. Aber Proteste und Gesetze können niemanden schützen. In der heutigen Zeit gäbe es nur eine Lösung gegen den Daten-Diebstahl. Gegen den im Krankenhaus und gegen den im großen Stil: Menschen, denen ihre Ethik und ihre Moral verbieten, etwas zu stehlen, was ihnen nicht gehört.
Und jetzt mal ehrlich: wie groß sind die Chancen, dass es diese Menschen gibt?
(Grit Hasselmann)