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Kommentar vom 12.08.2014

Freie Schulen vs. staatliche? Eben nicht! - Die dritte Schuleinführung in meinem ganz persönlichen Leben steht vor der Tür. Da war meine eigene, tief in den 70ern, dann die vom großen Kind, 2002 und jetzt ist die Kleine dran. Und jedesmal ist alles anders. Ich wurde ohne großes Brimborium in die 1. POS in Kamenz eingeschult. Zusammen mit den Nachbarskindern, den FreundInnen aus dem Kindergarten und vielen fremden Kindern. Und nach der Schule gingen wir alle zusammen in den Hort. An „Schnuppertage“ kann ich mich genauso wenig erinnern wie an Schule ohne Zensuren. Als meine große Tochter eingeschult wurde, sah das alles schon anders aus. Sollte sie in die „normale“ Schule gehen? Mit Frontalunterricht und den Nachbarskindern? Privatschule kam für mich nicht in Frage – zu elitär. Waldorf ist auch nicht meins. Ich entschied mich dann für die Jenaplan-Schule. Mir gefiel das Konzept, ich mochte die Lehrerin und die Nachbarskinder gingen auch da hin. Aber natürlich hatte ich fast ein Jahr gelesen, diskutiert, nachgedacht, bevor die Entscheidung fiel.
Und dann der erste Elternabend, der mich heftig an meiner so mühsam errungenen Entscheidung zweifeln ließ. Keine Fibel? Fehler beim Schreiben nicht korrigieren? Oh je. Worauf hatte ich mich da eingelassen? Doch siehe da, irgendwann schrieb das Kind dann doch ohne Fehler. Sie rechnete wie der Blitz und interessierte sich für mehr Dinge, als ich erfassen konnte. Schlimm war nur, dass wir in der 4. Klasse schon wieder eine Entscheidung treffen mussten. Welches Gymnasium? Sie war einfach zu jung dafür. Die Neigungen und Fähigkeiten noch nicht genug ausgeprägt. Dazu kam, dass die Kinder eine sehr stabile Verbindung zueinander aufgebaut hatten, die jetzt, zu schnell und zu früh, zerstört wurde. Und natürlich hatten wir das falsche Gymnasium ausgesucht. Erst in der 6. Klasse zeigte sich, dass meine Tochter sprachbegabt ist. Und dass ihr Interesse für die Natur ihr jetzt am naturwissenschaftlichen Gymnasium völlig abhanden gekommen war. Sie war todunglücklich und ich fühlte mich als Versagerin.
Zum Glück entdeckte mein Kind die Landesschule Pforta. Eine staatliche Schule ohne Schulgeld. Nur die Zensuren und ein Aufnahmetest entscheiden dort über die Zulassung. In der 9. Klasse ging sie da hin. Im nächsten Jahr macht sie ihr Abitur und sie fühlt sich wohl. Soweit sich ein normales 17jähriges Mädchen in der Schule wohlfühlen kann.
Allerdings musste ich im Gespräch mit Familie und FreundInnen gefühlte Hunderttausendmal erklären, dass Schulpforte weder eine Privat- noch eine Eliteschule ist. Das Misstrauen sitzt tief. Privatschulen nennen sich heute Feie Schulen. Der alte Begriff bedient einfach zu viele Vorurteile. Auch ich war ja vor dem Wort „Privat“ zurück geschreckt seinerzeit. Aber, statt sich zu isolieren und Eliten zu züchten, bereichern diese Schulen die Bildungslandschaft. Denn der Staat besitzt weder ein Monopol in Bildungs- und Erziehungsfragen noch ein Schulmonopol. Schon lange, bevor sich der Staat mit Schulfragen befasste, stand das private Schulwesen in hohem Ansehen.
Das Grundgesetz verlangt in Artikel 7, Absatz 4 von den Privatschulen zu Recht, dass eine Sonderung der SchülerInnen nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Daher erhalten Ersatzschulen staatliche Zuschüsse und dürfen nur ein sozial verträgliches Schulgeld erheben. Leider sind die Zuschüsse in den meisten Fällen zu niedrig angesetzt. Die Frage ist, ob das so funktioniert, wie es gedacht ist. Denn da gibt es die Eltern, die ohne Probleme das Schulgeld zahlen können und die, die aus sozialen Gründen davon befreit sind. Was ist mit der Mitte der Gesellschaft? Wird die ausgeschlossen? Zumindest besteht die Gefahr und deshalb muss die Finanzierung der Freien Schulen neu geregelt werden. Und: Viele Freie Schulen haben lange Wartelisten. Eltern berichten von Aufnahmegesprächen, die an Prüfungen erinnern. Welche Auswahl wird hier getroffen? Das wird sich wohl erst ändern, wenn Freie Schulen den staatlichen gleichgestellt sind und es mehr von ihnen gibt. Denn dann haben die Eltern tatsächlich die Wahl und die Schulen bemühen sich um Schüler, anstatt sie auszuwählen. Denn was Lehrpläne und Abschlüsse betrifft, unterscheiden sich Freie und staatliche Schulen nicht.
In den Methoden freilich gibt es Unterschiede. Die Lehrkräfte, die nicht zentral an diese Schulen vermittelt werden, sind freiwillig da. Ihre Motivation passt dementsprechend zu ihrem Arbeitsplatz. Nun wohne ich mittlerweile auf dem Land. Es gibt hier keine verschiedenen Grundschulen, zwischen denen ich mich für meine kleine Tochter entscheiden muss. Oder kann. Und es geht eben auch nicht um Vergleiche. Nicht darum, ob die Freien Schulen besser oder schlechter sind als die staatlichen. Auf beiden Seiten gibt es sehr gute und mittelmäßige. Die Frage ist vielmehr: Welche Schule passt zu meinem Kind? Und die konnte ich für meine Tochter ganz klar beantworten: sie wird in die Grundschule in Buttelstedt eingeschult. So wie die anderen Kinder aus dem Dorf. Denn diese Schule hat mich mit ihrem Konzept und ihrer Energie und dem Engagement des Kollegiums überzeugt. Aber schon in knapp vier Jahren werde ich die nächste Entscheidung treffen müssen. Und die wird mir deutlich schwerer fallen.

(Grit Hasselmann)

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