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Buchrezension

Buchrezension vom 25.09.2014

"Lieber Vati! Wie ist das Wetter bei Dir?" - Hin und wieder kommt es tatsächlich vor, dass sehr unterschiedliche Zeiten in einer einzigen Stunde aufeinandertreffen und ineinanderfließen. So geschieht es auch im Buch von Michael Kogon, der auf rund 510 Seiten den Leidensweg seines Vaters Eugen Kogon nachzeichnet. Dies geschieht anhand von Briefen in die und aus der Gestapo-Haft im besetzten Wien, anhand von Briefen an den und vom Vater, der ganze sieben Jahre lang in Wiener Gefängnissen und im Konzentrationslager Buchenwald zubringen musste. Der Zusammenfluss der Zeiten bei der heutigen Lektüre wurzelt in der Geschichte selbst: die Ereignisse über die berichtet wird, liegen rund 75 Jahre zurück, der Autor und sich Erinnernde war damals Kind und Jugendlicher und ist heute, zum Zeitpunkt des Erinnerns, selbst 86 Jahre alt.

Der Publizist Eugen Kogon wurde 1938 direkt nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich als Widerständler der ersten Stunde verhaftet. Zunächst glaubt der Vater an Missverständnisse, die sich irgendwie aufklären lassen und er bald wieder nach Hause kann. Doch immer mehr festigt sich auch bei ihm die Erkenntnis, die Freiheit wird er erst wieder erlangen, wenn Hitler den Krieg verloren haben wird. Dazu kommt, dass Eugen Kogon, der überzeugte und praktizierende Katholik, als Sohn einer Mutter mosaischen Glaubens geboren wurde. Wer sein Vater ist, kann nicht belegt werden. Und so lässt sich für ihn kein Nachweis erbringen, dass er Halbjude ist – die Behauptung der Gestapo er sei Volljude wird für ihn zunehmend lebensbedrohlich.
Zurück bleiben Ehefrau Rita Kogon und drei Kinder, der älteste Sohn Michael, Bruder Alexius und Schwester Kornelia.
Die beiden Söhne kommen aufgrund der schlechten Versorgungslage ins Kloster Schweiklberg bei Passau, wo sie bei einem ehemaligen Schulfreund des Vaters vermeintlich in guten Händen sind. Doch zumindest Michael sieht diese Situation anders.

Zwischen allen herrscht, im Rahmen des Möglichen, ein reger Briefverkehr, welcher je nach Grad der Zensur – im Gefängnis wie auch im Kloster – von sehr offenherzig und direkt bis zu kurz angebunden und stark verschlüsselt geführt wird.
Diese Vielzahl von Korrespondenzen ist es, die im Wesentlichen ein sehr detailliertes Bild der damaligen Zeit und insbesondere der persönlichen Verhältnisse der Familie Kogon zeichnet. Auch durch die hervorragenden Überleitungen und Zwischenkommentare des Autoren bleiben die Leser „am Ball“, auch wenn sich zwischen mancher Korrespondenz eine zeitliche Lücke auftut. So werden wir Zeugen einer in mehrfacher Hinsicht drangsalierten Familie und können nicht nur die Leiden des inhaftierten Vaters nachvollziehen, sondern ebenso die Gefühlswelt der Restfamilie, welche auf ihre eigene Weise zu darben hat, miterleben.

Michael Kogon, dem Übersetzer der Werke von Stephan Hessel, gelingt mit diesem Buch ein sehr nahegehendes Geschichtsbuch, welches die LeserInnen in zahlreichen Auf und Ab in einer Gefühlsachterbahn durcheinander schüttelt.
Zum Schluss: Eugen Kogon kommt 1945 frei aus Buchenwald und wird ein wichtiger Nachkriegspublizist, der unter anderem die „Frankfurter Hefte“ herausgibt und das ARD-Fernsehmagazin PANORAMA mitbegründet.

„Lieber Vati! Wie ist das Wetter bei dir?“ heißt das Buch von Michael Kogon, welches am 26. September 2014 um 19 Uhr in der Eckermann-Buchhandlung in der Marktstraße erstmals durch den Autoren der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Moderiert wird die Veranstaltung von Volkhard Knigge, dem Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Das Buch von Michael Kogon ist Ende August im PATTLOCH-Verlag erschienen und es kostet im Handel 22,99 Euro, das EBook ist für 20 Euro erhältlich. ISBN: 978-3-629-13054-9

(Shanghai Drenger)

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