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Tonspur

Tonspur vom 03.11.2014

Einar Stray Orchestra - Politricks - Wenn es für die gute Sache ist, wiederhole ich mich überaus gerne. Das trifft insbesondere auf unterstützenswerte und tolle Musik zu. Erst vor wenige Wochen hatte ich das Vergnügen, das Einar Stray Orchestra aus Norwegen im Franz Mehlhose in Erfurt zu interviewen und dann live zu sehen. Was soll ich sagen: unfassbar tolles Konzert, schrecklich nette Leute. Und noch dazu: fantastisches neues Album. Dessen Entstehungsgeschichte sei der Vollständigkeit halber noch einmal kurz nacherzählt. Das Einar Stray Orchestra war irgendwann einmal eine Art Soloprojekt von, klar, Einar eben. Das wurde dann immer mehr zur festen Band und diesem Fakt wird nun durch den ergänzten Bandnamen gehuldigt. Wurde auch Zeit, finden die Bandmitglieder. Nur ist eben immer noch kein Sinfonieorchester am Werk, sondern eine folkig-progressiv veredelte Popband. Das Album wurde dann anfangs im Studio, später aber aus Geldmangel im Keller von Cellistin Orfelias Eltern eingespielt. Ein bisschen wie wieder Kind werden, aber dazu kommen wir noch.
2012 erschien damals das Debütalbum "Chiaroscuro". Der Begriff bezeichnet in der Kunst den Kontrast zwischen hell und dunkel, und diesen hat sich die Band dann auch irgendwie auf die Fahnen geschrieben, mit Texten über gut und böse und ziemlich unpoppigen melodischen dynamischen Mechanismen in der Musik. Lediglich sieben Songs gab es damals, aber durch deren damals eigentlich orchestralere Länge als heute kam dann tatsächlich ein vollwertiges Album heraus. Zwei Songs mehr gibt es diesmal auf „Politricks“, zum Teil fast schon knackig kurz. Im Video zur titelgebenden Single gründet die Band eben mal einen sektenartigen Kult und illustriert damit das Wortspiel „Politricks“: Politik und Tricks gibt es eben mal, nur muss man eben aufpassen, dahinter zu gucken und sich seine Meinung nicht vorbeten zu lassen. Aus christlichen, gut behüteten Verhältnissen in einem der reichsten Länder der Welt zu stammen, ist für die Bandmitglieder umso mehr ein Grund, mal hinter das Geschriebene und Gesehene zu gucken und eine eigene Stimme zu finden.
Ganz besonders eindrucksvoll geschieht dies im in seiner Intensität nicht immer zu ertragenden „For the Country“, ein Song über Krieg, Frieden, Pazifismus, der die Aufmerksamkeit auf ein Land lenkt, das Friedensnobelpreise ausgibt und gleichzeitig an Waffenexporten gut verdient.
„Politricks“ ist ziemlich abwechslungsreich geworden und fügt den Grundinstrumenten Klavier, Cello, Bass, Schlagzeug und Geige je nach Bedarf einiges hinzu. Auch wenn das Einar Stray Orchestra vielleicht nie die Band sein wird, die man mal eben nebenher hört, scheint es zugänglicher als sein Vorgänger. Ein weiteres Grundthema ist die Kindheit und der Moment, wenn man mit dem Erwachsensein und all seinen Tücken konfrontiert wird und selber heraus finden muss, wer man ist. Ein Reich für eine unglaublich weite Symbolsprache ist eröffnet, voller Peter Pan, Postkarten, Sommer und Bars sowie den kleinen und großen Grausamkeiten und Wahrheiten des Erwachsenwerdens. Die Bars sind übrigens in Montreal zu finden und machen diesen Song unerwartet beschwingt.
Und sowieso, zwischen all den Falltüren und Extra-Ebenen in den Texten gibt es vor allem in fast jedem Song unerwartete Momente purer musikalischer Schönheit. Die tauchen meistens da auf, wo andere Bands einfach noch einmal den Refrain wiederholen würden. Das Einar Stray Orchestra stimmt einen zweiten Satz im ersten an, und so etwas darf man eben nur als selbst ernanntes Orchester.
Mag sein, dass meine euphorischen Eindrücke durch das erlebte Konzert nur eine verschwommene Wahrnehmung des Albums möglich machen. Aber eigentlich bin ich mir sicher, dass es objektiv betrachtet einfach toll ist. Wobei man Musik natürlich weder objektiv betrachten kann noch sollte. Aber: Politricks ist toll, und dann ist das eben so.
Als überzeugender Beweis möge folgender, verhältnismäßig zugänglicher Song dienen: Das Einar Stray Orchestra mit dem titelgebenden „Politricks“.

(Laura Eigbrecht)

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