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Kommentar vom 04.11.2014

Die Gauck-Falle - Natürlich darf der Pfarrer aus Rostock eine eigene Meinung haben. Und natürlich darf er die auch sagen. Wäre ja auch schlimm, wenn ausgerechnet in der 25-Jahre-Freiheit-Festwoche jemand einem anderen den Mund verbieten würde. Und dass Herr Gauck die Linken nicht mag, ist auch völlig klar. Auch wenn es sich aus seiner persönlichen Vergangenheit nicht so ganz schlüssig erklärt, so ist doch die LINKE die einzige Partei hier zu Lande, die eindeutig für Frieden eintritt. Und das ist einem Präsidenten, der kaum verklausuliert zur stärkeren Kriegsbeteiligung Deutschlands an den Konfliktherden der Welt rät, natürlich suspekt. Es kann also niemanden wirklich überraschen, dass Gauck diese seine Abneigung nun auch öffentlich äußert. Was mich allerdings ärgert, ist der Zeitpunkt. Die SPD-Mitgliederbefragung läuft noch. Und Gauck ist zu klug, um sich dessen nicht bewusst zu sein. Er hat sich also mit voller Absicht zu diesem Zeitpunkt derart parteiisch geäußert. Und auch wenn hier jeder sagen kann, was er will, heißt das nicht, dass man das auch immer tun sollte. Aber darum geht es überhaupt nicht. Es geht vielmehr darum, dass ein Amt wie das des Bundespräsidenten auch Verpflichtungen mit sich bringt. Nicht nur Vorteile wie ein schönes Gehalt auf Lebenszeit und eine schicke Wohnung im Schloss. Eine davon ist, dass gerade ein Präsident genau abwägen muss, wann er was sagt. Bei der Entscheidung, welche Parteien nach einer Wahl an die Macht kommen, handelt es sich um ein Kernstück der Demokratie. Gerade Gauck, der so gerne von der Freiheit schwärmt, sollte sie seinem Volk auch lassen. Eine dieser Freiheiten ist es, durch ein gewähltes Parlament eine demokratisch legitimierte Regierung zu bestimmen, was in Thüringen soeben geschieht. Und da ist es grundsätzlich schon sehr unverfroren, dass ein Bundespräsident im Nachhinein die Ergebnisse einer demokratischen Landtagswahl, bei der alle Beteiligten VORHER ihre Koalitionsabsichten hinreichend klargelegt hatten, zu korrigieren versucht. Darüber hinaus soll der Bundespräsident eigentlich vermitteln. Gauck jedoch ist kein Versöhner wie einige seiner Vorgänger. Richard von Weizsäcker oder Johannes Rau beispielsweise. Gauck polarisiert. Was ist das also für ein Mann, der unser höchstes Staatsamt repräsentiert? Der für Deutschland mehr militärisches Engagement in der Welt fordert, der in einem Interview mit Schweizer Medien allen Ernstes zu Verstehen gab, dass er nichts von plebiszitärer Mitbestimmung hält, da den meisten Bürgern dafür die intellektuellen Möglichkeiten fehlen. Der Hartz-IV Empfängern pauschal Faulheit und Verantwortungslosigkeit vorwirft, der sich nun auch noch in demokratische Prozesse einmischt und einen völlig unbescholtenen ehemaligen westdeutschen Gewerkschafter die Legitimität für das Amt des thüringischen Ministerpräsidenten abspricht. Der Russland offensichtlich völlig undifferenziert für das Reich des ewig Bösen hält und die USA für den Hort des ewig Guten - NSA, Drohnenkrieg und Guantánamo hin oder her. Auch könnte er mal ein bisschen nach rechts schauen, wo 10 Jahre der NSU sein Unwesen trieb, gedeckt von diversen Verfassungsschutzorganen. Wo war denn da der präsidiale Aufschrei oder wenigstens ein zaghaftes Bedenken zu vernehmen? Dazu kommt: Gauck ist der Präsident aller Deutschen. Also auch derjenigen, die nicht nahe der ruhigen bürgerlichen Mitte sind - als wenn politische Gleichförmigkeit immer noch eine deutsche Tugend und "Ruhe die erste Bürgerpflicht" sein müsste. Menschen sind vielfältig, und so lange sie nicht Gewalt und Verfassungsferne als Mittel ihrer "Politik" nutzen, als solche zu würdigen. Alle demokratischen Parteien in diesem Land sollten ihm also gleich viel wert sein. Aber vielleicht hat Gauck auch einfach zu viel kalten Krieg und DDR im Kopf um "unser" Bundespräsident sein zu können. Andererseits macht aber die ganze Debatte auch Mut. Denn allein die Tatsache, wer da alles diskutiert und wie genau der Präsident beobachtet und eben auch kritisiert wird, zeigt doch, dass die Menschen schon ein kleines bisschen Demokratie gelernt haben.

(Grit Hasselmann)

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