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Kommentar vom 11.11.2014

"Von der Wiege bis zur Bahre..." - Dem Karnevalsauftakt versuche ich ja immer weitgehend auszuweichen. Aber in diesem Jahr bin ich auf eine Posse der besonderen Art gestoßen. Und zwar in Bad Berka. Dort haben sich schon vor drei Jahren Menschen zusammen gefunden mit dem Ziel, einen so genannten Bestattungswald zu schaffen. Inzwischen ist daraus eine Bürgerinitiative mit mehr als 600 Mitgliedern geworden. 2001 wurde bei Kassel der erste FriedWald in Deutschland eröffnet. Inzwischen gibt es deutschlandweit 42. Das Rauschen der Blätter, das Zwitschern der Vögel und Sonnenstrahlen, die sich im Laub der Bäume brechen: Auf den ersten Blick sind das ganz normale Wälder. Doch hier kann man seine letzte Ruhe an den Wurzeln eines Baumes finden: Eine wunderschöne Idee – nach dem Tod wird man wieder eins mit der Natur. Die Möglichkeit, in der natürlichen Umgebung des Waldes beigesetzt zu werden, ist für viele Menschen eine würdevolle Form des Abschieds. Ruhe, Harmonie und ständiger Wandel der Natur spenden Trost für Angehörige und Freunde. In Thüringen allerdings gestaltet sich das schwierig. Die Kirche ist dagegen, die CDU ist dagegen. Und keiner weiß so recht, warum. Rekapitulieren wir den Ablauf: Die Bürgerinitiative will also einen solchen Wald. Der Bürgermeister findet das gut, der Stadtrat stimmt dafür und der Forst ist auch dabei. Man verhandelt schon wegen der Grundstücke. Das will gut geplant sein, liegt doch die Ruhezeit in einem Friedwald bei 99 Jahren, auf dem Friedhof sind es übrigens nur 15. Das Thüringer Bestattungsgesetz stellt kein Hindernis dar, die Gemeinde muss am Ende über ihre Friedhöfe entscheiden. Stichwort: Kommunale Selbstverwaltung.
Soweit ist alles klar. Eigentlich. Denn: der Landkreis Weimarer Land lehnte ab. Dagegen widersprach die Stadt und dann begann das Theater. Vom Thüringer Landesverwaltungsamt wurde dieser Widerspruch nämlich ohne triftigen Grund zurück gewiesen. Daraufhin hat die Stadt Klage beim Verwaltungsgericht Weimar eingelegt. Im Februar entschied das Gericht: Die Stadt Bad Berka darf einen Bestattungswald einrichten. Jetzt hätte alles schön werden können. Doch das Innenministerium dachte sich wohl, dass das zu einfach wäre und bereitet derzeit eine Berufung gegen dieses Urteil vor. Solange ruht das Projekt. In Frieden. Sozusagen.
Nur, keiner kennt den Grund. Unsere Bestattungskultur stammt noch aus dem Mittelalter. Leichen mussten abseits der Brunnen beerdigt werden. Logisch. Aber, im Friedwald werden Urnen bestattet, die stellen kein Risiko für die Umwelt dar. Ist es vielleicht ein Kontrollzwang, der sogar über den Tod hinaus reicht? Nachdem man in Deutschland nicht selbst über sein Sterben entscheiden darf, muss auch die Bestattung staatlich geregelt sein? Ich zum Beispiel würde am liebsten an meinem Lieblingsplatz im Wald bestattet. Wen würde das stören? Wenn ich in der Friedhofsordung blättere, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll: Selbst solche Sachen wie die Farbe des Kieses, ob Holzkreuz oder ein Bäumchen drauf - alles wird geregelt oder verboten. Die Bürgerinitiative hofft jetzt, dass eine neue Thüringer Regierung auf die Berufung verzichtet. Dann gilt das Urteil und der Bestattungswald kann eingerichtet werden. Die Chancen dafür stehen gut. Bereits im vergangenen Jahr gab es eine fraktionsübergreifende Initiative von 22 Landtagsabgeordneten zur Änderung des Thüringer Bestattungsgesetzes. Die war allerdings damals von den Koalitionsfraktionen beerdigt worden. Nur – warum? Da ist die Rede von Anonymität, Wilde Tiere könnten die Totenruhe stören, für die Trauernden sei es im Wald zu gefährlich. Hm. Anscheinend haben die Leute, die so vehement gegen Friedwälder argumentieren, noch nie einen gesehen. Selbst die Kirche scheint inzwischen umzudenken: der erste Bestattungswald in Thüringen ist nämlich kürzlich in Wallbach bei Meiningen mit kirchlichem Segen eröffnet worden. Und am Ende wird ja keiner gezwungen, sich dort zur letzten Ruhe betten zu lassen. Man kann ja auch auf dem Friedhof liegen. Genau das ist ja der Punkt. Es geht, wie so oft in diesen Tagen, um Freiheit. Um die Freiheit, wenigstens diese eine Entscheidung am Ende des Lebens selber treffen zu können.


(Grit Hasselmann)

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