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Kommentar

Kommentar vom 26.04.2002

Weimarer Juckreiz - Der Streit um die Zukunft des Kunstfestes.

Hellmut Seemann befällt bisweilen eine gewisse Unruhe. Schon vor Längerem bekannte der Präsident der Stiftung Weimarer Klassik mit Blick auf das Kunstfest: "Mir jucken manchmal die Finger." Und offenkundig geht es Anderen in der Stadt nicht anders.

Die Intendanz des jährlichen Sommerfestivals ist vakant, die programmatische Ausrichtung damit ebenfalls. Da entstehen natürlich Begehrlichkeiten. Das zuletzt viel gescholtene Kunstfest gilt unter Weimars Berufskulturellen grundsätzlich als Hort von Ruhm und Ehre, und der Mittelstand drängelt und quengelt ohnehin, weil ein stark frequentiertes Festival Einnahmezuwächse verspricht.

Seemanns Vorgänger im Präsidentenamt, Bernd Kauffmann, war über Jahre hinweg auch Kunstfest-Intendant. Er hat das Festival maßgeblich geprägt und trotzig daran festgehalten, mit seinem Theater-, Tanztheater- und Musikprogramm einen Gegenpol zur allgemeinen Goethe-Schiller-Herrlichkeit zu schaffen. "Nieder mit Goethe!" lautete einmal das provokante Motto eines seiner Kunstfeste.

Hellmut Seemann findet diesen Einsatz zwar verständlich, aber, Zitat: "Das darf man nicht tun. Der Intendant muss von außen kommen."

Wenn es trotzdem nicht aufhört zu jucken, kratzt man wenigstens kräftig aus dem Hintergrund. Seemann betrachtet seine Stiftung ohnehin als Nutznießer des Kunstfestes und will den Hof seines Stadtschlosses als Hauptveranstaltungsort etablieren. Kaum im Amt, übertrug der Präsident seinen Juckreiz deshalb auf die Chefs der anderen Kulturinstitutionen Weimars: Mit dem Intendanten des Deutschen NationalTheaters (DNT), den Rektoren von Musikhochschule und Bauhaus-Universität und dem Direktor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald erdachte er "ein neues Kunstfest". Es soll Deutschland und der Welt "Weimar als Gesamtkunstwerk" verkaufen und letzten Endes vor allem der Profilierung der eigenen Kultureinrichtungen dienen.

Dies ist ein deutlicher Angriff auf die bislang, wenn auch mühsam, hochgehaltene Autonomie des Festivals und riecht penetrant nach einem Festival aus dem Mustopf. Das allerdings wäre durchaus im Sinne von Thüringens Kunstministerin Dagmar Schipanski (CDU), die mit Kauffmann ohnehin noch Rechnungen offen hat.

Kunstfest-Geschäftsführer Ralf Schlüter hat es deshalb nicht einfach. Er managte das Festival schon unter Kauffmann und will es in dessen Sinn weiter führen. Sein Konzept sieht vor, ab 2003 einer Persönlichkeit mit internationaler Strahlkraft aus Kultur, Wirtschaft oder Politik den Titel eines Gastintendanten zu verleihen, für jeweils ein Jahr. Diese soll das Festivalthema formulieren und nach außen repräsentieren. Schlüter prognostiziert für sein Konzept einen Etat von 1,6 Millionen Euro, einschließlich 250.000 Euro Bundesförderung. Viel ist das nicht, der Mann jedoch scheint in der Lage, damit mehr zu veranstalten als einen klassischen Weimarzirkus.

Vorgestern kam der Verwaltungsrat des Kunstfestes zusammen. Oberbürgermeister Germer und neun Stadträte stehen unter erheblichem Druck, Macht an das Land abzugeben und das der Öffentlichkeit als Synergie zu verkaufen. Alles scheint möglich im Machtpoker. Doch: Schlüter hat ein Konzept, die anderen haben nur Juckpulver.

(Michael Helbing)

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