Kommentar
Kommentar vom 16.12.2014
Es weihnachtet sehr... - Es ist Weihnachten. Das höchste Fest der Christenheit. Gestern haben wieder mehr als 10.000 Leute in Dresden angeblich für den Erhalt unserer kulturellen Werte demonstriert. Und all die Pegida-Unterstützer, die das lieber anonym vom PC aus tun, waren gestern abend auch aktiv: Da wird unter einem Aufruf von „Weimar hilft“ seitenweise darüber schwadroniert, dass man sich lieber um die eigenen Leute kümmern solle, als den Flüchtlingen Riesen-Geschenke zu machen. Christliche Nächstenliebe? Fehlanzeige. Die Leute, die sich da aufregen, machen sich nicht mal die Mühe, die Nachrichten aus Syrien zu lesen. Krieg? Interessiert sie nicht. Flucht? Kinder, die Weihnachten in irgendwelchen schrecklichen Notunterkünften verbringen müssen? Kümmert sie nicht. Ist das Neid? Missgunst? Generelle Unzufriedenheit oder einfach nur ein schlechter Charakter? Da wird für die eigenen Kinder kistenweise irgendwelcher Plastikmüll untern Baum gelegt, da brechen die Einkaufswagen vor dem Fest fast zusammen, weil solche Massen an Lebensmitteln eingekauft werden, da jubelt der Handel über Rekordumsätze und die Leute haben nicht mal 10 Euro übrig für Flüchtlinge? Genau die gleichen Leute übrigens, die vor 25 Jahren selber geflohen sind? Über die Botschaft ins gelobte Land? Und weil im gelobten Land jetzt doch nicht Milch und Honig fließen, sind die Flüchtlinge schuld? Was können die für eine falsche Politik hierzulande? Was können die dafür, dass Hartz IV so gar nicht funktioniert? Was können die dafür, dass Poltiker machtgierig sind oder korrupt? Sie haben gerade mal ihr Leben gerettet. Die Kinder haben Dinge gesehen, die kein Kind sehen sollte. Ihre Heimat ist zerstört. Und es ist Weihnachten.
Und dann kommen sie nach Deutschland, das so stolz auf seine Werte ist und hoffen auf Wärme, auf Freundlichkeit und Sicherheit. Wollen etwas zur Ruhe kommen. Und finden brennende Asylbewerberheime vor. Und sie sehen überall Werbung. Vor allem jetzt. Ein Mädchen jubelt über die neue rosa Digitalkamera, ein Bärtiger brüllt vor Freude über seinen neuen Flachbildschirm. Denn, so versucht uns der Elektronik-Markt klar zu machen: Weihnachten wird unterm Baum entschieden. Wer schenkt – nicht so wichtig. Warum geschenkt wird – interessiert nicht. Was geschenkt wird zählt. Wie war das noch mit dem Ursprung des Festes? Da waren Menschen auf der Flucht. Fanden Obdach in einem Stall. Und dann war da noch was mit Liebe. Ist das alles vergessen? Geht es nur noch um Konsum? Was machen diese schimpfenden, neidischen Menschen mit ihren eigenen Kindern? Lesen sie vor, spielen sie mit ihnen? Lieben sie sie? Meine Mutter hat mal gesagt, entweder liebt man Kinder oder eben nicht. Man kann nicht sein Kind lieben und fremde beschimpfen. Es gibt so viele rührselige Weihnachtsfilme zur Zeit. Auf allen Kanälen. Wischt man sich danach die Tränen ab und postet ein paar fremdenfeindliche hasserfüllte Sätze im Facebook? Und das wars dann? Wo ist der wahre Film? Wo ist das wirkliche Leben? Diese hasserfüllte geschlossene Gesellschaft, die mir die sozialen Netzwerke zeigen? Oder die Menschen, die sich für andere einsetzen? Die gar keine Zeit haben, ihre Intentionen per Internet zu verbreiten, weil sie Pakete packen, Sprachkurse organisieren oder Weihnachtsfeiern für die Flüchtlingskinder? Eins weiß ich jedenfalls: Neid und Missgunst, Fremdenfeindlichkeit und Ablehnung sind keine Werte, die in Deutschland verteidigt werden sollten. Deshalb mag ich auch nicht mehr über Pegida reden. Sondern lieber darüber, dass es Menschen gibt, die anders sind. Wie beispielsweise Familie Alkhouri. Die sammelt in ihrer Wohnung Geschenke und Sachspenden für Flüchtlinge und bringt sie nach Eisenberg. Pünktlich zu Weihnachten. Und wer sich beteiligen will: Heute, von 16 bis 21 uhr können in der Abraham-Lincoln-Str. 4 in Weimar Sachspenden abgegeben werden. Das Motto heißt "den Mantel teilen". Aber das mit dem Martin und dem Teilen ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.
(Grit Hasselmann)