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Kulturrückblick

Kulturrückblick vom 20.01.2015

Wozu Kultur? Wozu die Kunst? - Zoè Fischer:
Im Studio ist Wolfgang Renner zu seinem wöchentlichen Kulturreport. Guten Morgen... Am Sonntag fand im Nationaltheater eine Diskussionsrunde statt, ihr Titel: „Freiheit ist bei der Macht allein“. Das klingt, als ob es ziemlich schwierig sei, es zu verstehen... Ist denn so etwas das richtige Thema für die Kultur?

Wolfgang Renner:
Wozu Kultur? Wozu die Kunst? Diese Frage ist nicht neu und wir stellen sie uns ja immer wieder. Entweder, weil das, was wir landläufig so als „Kunst und Kultur“ bezeichnen, sehr unbequem sein kann. Oder aber vielleicht, weil wieder einmal Kultur dazu dienen soll, um Geld zu sparen – so wie wir es jetzt wieder einmal beim Entwurf für den neuen Stadt- Haushalt erleben...

Kultur ist wichtig! Gebetsmühlenartig versichern wir uns dessen immer wieder, bei Tagungen, politischen Reden oder in den Medien.
Nun, wozu denn aber die Kultur? Was sind schon Werte? Denn, wer von Aufklärung, Abendland oder gar christlichen Werten spricht, der kann dieser Tage ohnehin schnell missverstanden werden...
Wozu der Spiegel unseres Seins? Wenn wir doch wissen, dass alles, - und damit eigentlich gar nichts mehr -, so recht gilt?
Wozu noch die Frage danach, wie wir denn eigentlich leben wollen, wenn die Antwort uns das Diktat des Geldes doch längst gegeben hat...

Aber Kunst und Kultur haben ja auch noch andere Funktionen, darüber hinaus – so denke ich mir da. Zum Beispiel die Menschen zu erheitern und sie zu „erheben“, weg von solch missmutigen Gedanken...
Und eben das tut sie ja sehr oft und mittlerweile sehr vordergründig: Wenn ich in aktuellen Zeitungsberichten blättere, erfahre ich über Kultur zunächst folgendes: In Thüringen wurde das Cranach-Jahr eröffnet. Die Zwiebelmarkt-Königin ist auf der Grünen Woche präsent. Der Thüringen-Tourismus hat jetzt „Jahre der Chancen“ vor sich – so lese ich. Und die Tourismus-Chefin des Landes kündigt für Weimar ein ganz besonderes Kultur-Event an: Einen Mini-Zwiebelmarkt im April für 800 internationale Reise-Manager. Na bitte...
Auch Weimars Tourismus-Chefin hat neue Nachrichten: Es wird wieder einen Stadtführerlehrgang geben; für die wachsenden Besucherzahlen in der Klassikerstadt braucht man mehr, vor allem fremdsprachenkundiges, Personal. Aber ach: Führungen mit einem pädagogisch- vermittelnden Ansatz sind derzeit gar nicht mehr so gefragt; es geht viel mehr um unterhaltsame Führungs- Angebote, wie sie von den Gästen zunehmend nachgefragt werden...
Weiter lese ich unter dem Stichwort „kulturelle Vielfalt zwischen Harz und Thüringer Wald“ von den Kultur-Höhepunkten 2015: Cranach, Hollywood, Töpfermarkt, auch Kunstfest und Zwiebelmarkt stehen da für Weimar und Oldtimer und Mode für das Weimarer Land. Ansonsten: Studententreffen und Schmiedekunst, Brunnenfeste, Stadtjubiläen, Bauernmärkte, Landratswahlen, Wildwasserrafting, Sommergewinn... Vielfalt eben.
Beim Blättern oder Surfen kann man dieser Tage aber auch nicht solcherart Nachrichten ausweichen: Charlie Hebdo und Pegida, Kriege überall auf dem Erdball, Flüchtlingsdramen und viel Gewalt... Und plötzlich ist sie wieder da, die Frage nach unserer Kultur, und die Frage danach, wie wir denn eigentlich leben wollen...

Nun; am Sonntag Vormittag war ich im Theater. Da gab es ein Symposium zu den bevorstehenden Schiller-Premieren von „Wallenstein“ und „Die Räuber“ im Hause. Hellmut Seemann, Volker Lösch, Hasko Weber und Dirk Pilz diskutierten über Schillers Ästhetik, seine künstlerischen Auseinandersetzungen mit Themen „Gewalt“ oder „Freiheit“. Und freilich kommt man heute – selbst bei Stoffen, die mehrere hundert Jahre alt sein mögen - zwangsläufig auch auf Gegenwärtiges zu sprechen. Beispielsweise, was Gewalt in einer Gesellschaft ausrichten mag oder zerstören kann. Und ob das Phänomen „Freiheit“ gelebte Realität sein mag oder nur eine ästhetische Kategorie bleiben muss...

Ja, da war sie wieder, die wichtige Funktion von Kunst und Kultur – die Auseinandersetzung, der Disput, das spielerische Denken über Möglichkeiten. Das hatte ich in anderen Medien, außerhalb des Theaters, zuletzt so sehr vermisst...
Wozu also Kultur? Wozu die Kunst? In unserer Geschichte ist schon vieles gedacht worden. Man muss es aber auch immer wieder neu denken und auch auf die aktuellen Erscheinungen der Zeit hin interpretieren
Weimar braucht das kulturelle Event für seine wirtschaftliche Existenz. Okay...
Ein wenig Pech ist schon dabei, dass man gerade jetzt das Cranach-Jahr touristisch ausgerufen hat, die Zeitläufe aber mittlerweile ganz andere Themen setzen, und die Themen, die uns jetzt gerade besonders berühren, auf einem anderen Felde liegen...
Aber Weimar – die Kulturstadt – stellt sich ja zum Glück auch solch anderen Themen. Nehmen wir das Theater, nehmen wir Schiller – (der allerdings gerade kein Jubiläum hat und fürs touristische Event etwas sperrig daher kommen mag, sobald man nicht nur bei der bekannten Story des Rebellen mit den „Geliebten Schwestern“ verweilt...) Im „Wallenstein“ lässt Schiller sagen: „Der Mensch ist das Wesen, welches will. Eben deswegen ist des Menschen nichts so unwürdig, als Gewalt zu erleiden, denn Gewalt hebt ihn auf. Wer sie uns antut, macht nichts Geringeres als die Menschheit streitig...“
Darüber also denke man mal wieder nach in Zeiten von Terror, Pegida und Abendland. Und dabei hilft die Kunst.

Zoè Fischer:
Wozu die Kunst? Längst nicht mehr nur allein zum Spaß und Zeitvertreib – so höre ich. Kunst und Kultur mögen wohl wieder politischer werden... meint Wolfgang Renner in seinem Kulturreport.
„Wallenstein“ und „Die Räuber“ – demnach zwei politische Stücke – werden als Schauspiel und Oper am 30. und am 31. Januar ihre Premiere in Weimar haben.

(Wolfgang Renner)

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