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Tonspur

Tonspur vom 16.03.2015

Steven Wilson - HAND. CANNOT. ERASE. -

Was bleibt von einem Menschen, so nachdenklich möchte ich die heutige Tonspur beginnen, den es geht heute um ein Album, das unter anderen diese Frage aufwirft. Was bleibt, was ist, was kann man löschen und was bleibt auf den Servern der digitalen Netzwerke? Kann man vernetzt sein, hunderte von Friends haben und trotzdem einsam sein? Die Diskussion um Facebook und Konsorten möchte ich an der Stelle garnicht führen, schon weil ich selbst das Medium sehr gerne nutze und viel Spass daran habe, Leute an meinem Leben teilhaben zu lassen und ich kann ihnen versichern, man kann im realen Leben viele Freunde haben und in der Digitalen Welt ebenso, es ist mehr eine Frage der persönlichen Einstellung und wie ich damit umgehe. Das eine bedingt das andere und schließt es nicht aus! - Jedenfalls bei mir!

Steven Wilson hat nun sein Facebookaccount gelöscht, bei dem Arbeitspensum auch kein Wunder, denn Wilson ist nicht nur der Sänger der seit 2010 auf Eis liegenden Prog-Rock-Institution Porcupine Tree, Labelchef bei Kscoop, ein Teil des Duo´s Blackfield, Teil von Storm Corrosion mit Opeth Sänger Mikael Åkerfeldt (Opeth) , No Man, Bass Communion usw.
Nein er ist seit ein paar Jahren auch noch Solo unterwegs und das sehr erfolgreich. 2013 brachte er das Album "The Raven That Refused To Sing (And Other Stories)".heraus, mit dem er das Genre Progressive Rock, vielleicht nicht neu erfunden hat, aber es aus dem Kontext der 70ziger Jahre herausholte, es entstaubte und ihm neue Fassetten abgerungen hat. Der Rabe ist ausgeflogen. Bewusst entzieht sich Steven Wilson, nach dem großen Erfolg des Vorgängers, mit "Hand. Cannot. Erase" den an ihn gestellten Erwartungen.
War "Raven" in sich geschlossen, fasert "Hand. Cannot. Erase.", trotz einer ähnlichen Dynamik, in jede erdenkliche Richtung aus und lässt so mehr Einflüsse zu. Anstatt den Weg ins gelobte Land weiter zu beschreiten, stellt Wilson den Jazz mitsamt Flöte und Saxophon bis auf wenige Ausreißer weitestgehend zurück in die staubige Ecke, aus der er ihn geholt hatte.

Mit "Hand. Cannot. Erase" möchte Wilson seiner femininen Seite mehr Raum geben. Er versucht aus einer weiblichen Perspektive zu schreiben und nennt Kate Bushs "The Dreaming" als Inspirationsquelle. Mit der israelischen Sängerin Ninet Tayeb findet sich zum ersten Mal auch eine Frau am Mikro wieder, und erstmals steht mit Pink eine Signalfarbe im Mittelpunkt des von Lasse Hoile entworfenen Artworks.

Das Konzeptalbum findet seine Inspiration im Leben und im Tod von Joyce Carol Vincent und der von ihr handelnden Dokumentation "Dreams Of A Life", von der sich Wilson zeitgleich fasziniert und geschockt zeigte. Die attraktive, gut vernetzte Frau verschwand 2003, stirbt mit 38 und wird erst drei Jahre später in ihrer Wohnung in London entdeckt – weil sie keiner ihrer vielen Social-Media-Bekanntschaften wirklich vermisst hat.
Doch "Hand. Cannot. Erase." findet eine eigene Protagonistin und erzählt seine eigene Geschichte. Am Ende steht nicht etwa der Tod. Vielmehr geht die Hauptfigur im hektischen Treiben unserer Tage verloren. Sie verschwindet und erlischt.

Wilson driftet dabei nicht etwa in eine einfache, tiefdunkle Erzählung über den Tod ab. Vielmehr steht das Leben mit all seinen nostalgisch verklärten Erinnerungen, der Liebe, der Hoffnung, den aufgebauten Fassaden, der Trauer, der Wut und dem Verlust im Mittelpunkt. All diese verschiedenen Emotionen, die am Ende unser Dasein ausmachen. Aber dieses Album ist nicht getragen von einer tiefschwarzen Stimmung, sondern hoffnungsfrohe Popsongs wechseln sich ab mit Songmonstern jenseitsder 10 min Grenze, in denen er und die Band ihr ganzes virtuoses Talent unter Beweis stellt.

Wer Angst vor Konzeptalben hat, für den ist das Werk von Steven Wilson sowie so nichts, alle anderen sollten wenigstens mal reinhören! Wie virtuos und leicht Konzepte klingen können hören wir auf dem Titeltrack des Albums - HAND. CANNOT. ERASE.

(dennis klostermann)

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