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Kommentar vom 24.03.2015

Das 5. Gebot und die Europa-Armee - Jeder kennt die 10 Gebote. Kaum einer hält sich daran. Egal, ob Christ oder nicht. Mir geht es heute um das 5.: „Du sollst nicht töten.“
Klingt gut. Klingt vernünftig. Nur leider interessiert es keinen. Weder Christen noch Nicht-Christen halten sich daran. Lieber diskutierten sie darüber, wie man effektiver morden kann. Kostengünstiger. Sie tun, als interessierten sie sich für diplomatische Lösungen, dabei wollen sie lieber eine Europa-Armee gegen Russland schicken. Nicht von ungefähr kommt dieses alte Thema jetzt wieder ins Gespräch. Bereits zu Beginn der 1950er Jahre tauchten in Frankreich diese Forderungen zum ersten Mal auf. Eine EU-Armee, die befähigt ist, ständig 100.000 gut ausgerüstete und ausgebildete Soldaten bereitstellen zu können, würde Verteidigungsausgaben in einer Größenordnung von 175 Mrd Euro erfordern. Da die EU gegenwärtig etwa 200 Mrd Euro für ihre Streitkräfte ausgibt, wäre ein Einspareffekt von etwa 25 Mrd zu erwarten. Zugleich wäre damit mindestens eine Verdopplung ihrer ständig im Ausland einsetzbaren Soldaten verbunden. Mit einer vollkommen integrierten EU-Armee, die alle einzelstaatlichen Streitkräfte ersetzt, wäre aber auch die Abgabe erheblicher hoheitlicher Rechte für die Mitgliedsstaaten verbunden. Damit könnte Deutschland quasi plötzlich auch über die französischen und britischen Atomwaffen verfügen. Schon 2007 sprach Angela Merkel sich für eine solche europäische Armee aus. 2010 stieß Westerwelle ins gleiche Horn. Anfang des Monats hat jetzt auch EU-Kommissionspräsident Juncker die Gründung einer gemeinsamen europäischen Armee gefordert. Jetzt könnte man sagen, die Entnationalisierung der Streitkräfte wäre ein Beitrag für eine Friedenspolitik auf der Welt. Aber es gibt ja nicht einmal eine gemeinsame europäische Außenpolitik. Und man mag diese Motivation nicht ernst nehmen, wenn die Diskussion gerade im Rahmen der Ukraine-Krise aufflammt. Und es bleiben noch andere Fragen: Wie soll eine gemeinsame Armee funktionieren, wenn die Länder souverän bleiben? Wer soll den Oberbefehl haben? Was ist mit unserem Grundgesetz? Was mit unserer Zugehörigkeit zur NATO? Warum kümmert sich Europa nicht zuerst um ein einheitliches Steuersystem, Krankensystem, Rentensystem, um Verkehrsvorschriften, Mindestlöhne und Durchschnittslöhne, um ein funktionierendes Schulsystem? Und welches Unternehmen bekommt den Zuschlag für die "einheitlichen" Waffensyteme, Uniformen usw.? Und während allerorten munter debattiert wird, schafft unsere Verteidigungsministerin (ich wiederhole das Wort nochmal: Verteidigungsministerin) schon im August letzten Jahres Tatsachen: Im Rahmen eines gemeinsamen Appells wurde die 11. Luftbewegliche Brigade des Königlichen Heeres der Niederlande mit ihren 2100 Soldaten dem Kommando der Division Schnelle Kräfte der Bundeswehr unterstellt.
Nie zuvor war ein militärischer Verband eines europäischen Landes in den Großverband eines anderen europäischen Landes eingebunden worden, nie zuvor hatte ein Staat auf diesen elementaren Kernbestandteil seiner Souveränität verzichtet. Aber es ist nicht verboten. Es steht auch längst im Koalitionsvertrag. Da heißt es: "Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern wollen wir zu schwach ausgebildete Fähigkeiten stärken. Wir streben einen immer engeren Verbund der europäischen Streitkräfte an, der sich zu einer parlamentarisch kontrollierten europäischen Armee weiterentwickeln kann." Und sogar prominente Grünen-Politiker werben neuerdings für den Aufbau einer Europäischen Armee. Die Grünen? Die „Frieden schaffen ohne Waffen“ wollten? Die Basis scheint diese Haltung zumindest zu irritieren. Zumal sie davon erst aus der Zeitung erfahren hatten.
Und was ist, wenn ein Land die EU verlässt? War ja bei Griechenland jetzt im Gespräch. Nimmt es dann ein paar Waffen und Soldaten mit? Oder muss es dann eine neue Armee gründen? Und selbst wenn sie irgendwann Kosten spart, würde ihr Aufbau erst einmal welche verursachen. Und zwar erhebliche. Dabei haben wir momentan wirklich andere Probleme. Auch verursacht von Armeen im übrigen. Heute sind weltweit mehr Menschen auf der Flucht als im 2. Weltkrieg. Es gibt keine Konzepte, die weltweiten Konflikte zu befrieden. Wir können Krebs heilen und scheitern an den Masern. Wir können Atome spalten und lassen Kinder verhungern. Liebe Politiker: Kümmert euch doch erstmal darum. Auch durch unterlassen kann man töten. Ihr erinnert euch? Das 5. Gebot? Gerade in der derzeitigen Krise ist dieses Säbelrasseln kontraproduktiv. Es sollte vielmehr alles daran gesetzt werden, ein völlig neues Konzept für Sicherheit und Frieden in Europa und in der Welt zu entwickeln. Und: Bevor die Politik weiter darüber nachdenkt und Fakten schafft, sollten alle europäischen Bürger befragt werden. Ich will keine gemeinsame Armee. Im Gegenteil: Ich finde diese Idee gruselig. Aber vor allem: Ich will Frieden. Ich will die Erweiterung des Satzes "Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen." in den neuen Satz: "Von europäischem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen."

(Grit Hasselmann)

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