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Kommentar

Kommentar vom 14.04.2015

Schleimer oder Überlebenskünstler - der Mensch ist ein Opportunist - Wir sind eine Gesellschaft von Opportunisten. Und wir kommen anscheinend prima damit klar. Die einen begründen das biologisch, die anderen gucken es sich bei den Politikern ab und nennen es Realismus. Laut Definition kommt das Wort Opportunismus vom lateinischen 'opportunus', was soviel heißt wie ‚günstig‘ oder ‚geeignet‘. Es bezeichnet die Anpassung an die zweckmäßige jeweilige Situation beziehungsweise Lage. Charles Darwin beschreibt beispielsweise ein opportunistisches Prinzip in der Natur. Organismenarten, die sich sehr flexibel unterschiedlichsten Bedingungen anpassen können, werden als Opportunisten bezeichnet. In der Gesellschaft allerdings ist der Begriff negativ besetzt: der Opportunist geht weiter, er passt sich nicht nur an, er nutzt eine günstige Gelegenheit ohne Rücksicht auf Konsequenzen oder eigene Wertvorstellungen zu seinem Vorteil. Grundsatz- und Prinzipientreue spielen keine Rolle mehr. Eine abgeschwächte Form des Opportunismus findet sich im Pragmatismus oder eventuell auch im Realismus wieder. Aber kann das am Ende gut gehen? Wenn der Opportunismus die Neigung ist, jeweils nur das Nützliche/Zweckmäßige zu denken, zu sagen oder zu tun, spielt doch die Frage, ob etwas gut, richtig oder wahr ist, keine Rolle mehr. Sage ich meinem Chef die Meinung und laufe Gefahr, gefeuert zu werden? Beschwere ich mich in der Schule meiner Kinder über Ungerechtigkeiten und nehme in Kauf, dass die Lehrer meine Kleinen das dann ausbaden lassen? Verbitte ich mir, dass sich jemand von staatlicher Seite in meinen Verein einmischt und riskiere, die Fördermittel zu verlieren, ohne die der Verein nicht existieren kann? Gestern gab es einen Artikel im Netzwerk über Bewerbungen. Jeder lernt, wie man die am besten schreibt, wie man sich am besten darstellt. Und am Ende lesen sich alle gleich und strotzen vor Opportunismus. Jeder Bewerber ist Teamfähig, kreativ, offen für Kritik. Jede Lücke im Lebenslauf wird fantasievoll mit Persönlichkeitsentwicklung gefüllt. Ist das euer Ernst? Ich habe in meinem Leben schon viele Menschen kennen gelernt. Aber keiner davon wird gern kritisiert. Keiner davon entwickelt ständig seine Persönlichkeit. Und im Grunde wissen das auch die, die die Bewerbungen lesen. Und trotzdem bringen wir immer neuen Generationen bei, was opportun ist. Und was ist dann das Gegenteil von Opportunismus? Idealismus? Oder einfach nur Prinzipientreue? Prinzipien, so sagte schon Metternich, sind drehbare Geschütze: Sie können in alle Richtungen feuern, wenn sie fest am Boden stehen. Egal, ob in der Ehe oder im Beruf – überall wird Kompromissbereitschaft verlangt. Aber gebe ich für einen Kompromiss nicht auch schon meine Haltung auf, damit ich endlich Ruhe habe? Oder doch nur aus Überzeugung? Es ist schwer, den Übergang zwischen Kompromissbereitschaft und Opportunismus zu definieren oder festzulegen. Klar ist das alles in der Wirtschaft. Eindeutig steht dort der Opportunismus im Vordergrund, begleitet von Pragmatismus und Kompromissbereitschaft. Wobei wenigstens keiner versucht, das zu verschleiern. Das Ziel sind halt maximale Gewinne. Um jeden Preis. Das Gegenbeispiel dazu ist die Wissenschaft. Da geht es um Fakten und nicht um die Meinungen anderer. Am weitesten verbreitet ist der Opportunismus jedoch tatsächlich in der demokratischen Politik. Dort müssen Politiker dafür sorgen, gewählt zu werden. Sie reden der Mehrheit nach dem Munde heißt es, sie sagen nicht die Wahrheit, sie seien ohne Rückgrat und Überzeugungen. Egal, ob ein CDU-Parlamentarier Verständnis zeigt für die Wut des Pegida-Mobs, oder ob ein Grüner plötzlich Waffenlieferungen begrüßt – so richtig überrascht sind wir davon alle nicht mehr. Das Ergebnis sind brennende Flüchtlingsheime und Morddrohungen gegen Politiker. Die Tatsache, dass es nie zuvor soviel Kriege auf der Welt gab wie heute hat aus meiner Sicht sehr viel mit dieser opportunistischen Gesellschaft zu tun. Prinzipien? Keine Ahnung. Werte? Schwierige Frage. Klare Positionen? Ich weiß nicht recht. Kostet mich das am Ende Stimmen? Aber sollten nicht die Besten eines Volkes in der Regierung sitzen und seine Geschicke leiten? Ehrliche, integre Menschen? Kluge Köpfe, die wissen, was sie wollen? Die nach Faktenlage entscheiden? Und nicht an ihren persönlichen Vorteil denken? Kurz vor den Wahlen nehmen Politiker für ihre konformistische Haltung sogar langfristige Nachteile in Kauf, um kurzfristig Zustimmung zu erzielen.
Oft wird die eigene Meinung sogar völlig aufgegeben, weil man sich so größere Chancen auf allgemeine Zustimmung einräumt. Und die Wahl gewinnt. Sind Politiker also nicht besser als die Schleimer und Mitläufer, wie sie das banale Berufsleben auch hervorbringt? Wie der Karrierist vor dem Chef buckelt, so schmeichelt der Politiker dem Wahlvolk?
Wenn dem so ist, liegt die Lösung des Problems allerdings auf der Hand:
Das Volk muss ehrlich sein und wahrhaftig. Muss Wert legen auf feste Grundsätze und Prinzipien. Muss Opportunismus und eine „Fähnchen-nach-dem-Wind-Mentalität“ sofort bestrafen. Und muss von seiner Regierung verlangen, auch unbequeme Entscheidungen zu vertreten. Solange sie nach Faktenlage richtig sind. Denn dann hätte selbst der opportunistischste Politiker keine Wahl. Er müsste, um opportun zu bleiben, das Gleiche tun. Das Richtige eben.



(Grit Hasselmann)

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