Kommentar
Kommentar vom 28.07.2015
Der Ball ist nicht mehr rund - Wenn man früher ein Geldspiel spielen wollte, dann griff man ins Spieleregal und zog sich den Karton mit dem Monopoly-Spiel hervor. Heutzutage benötigt man dazu mitunter einen grünen Rasen und mindestens 22 Fußballspieler und einen Ball – aber halt, Kinderkram! Besser noch, man hat dazu dutzendweise Fußballverbände aus aller Welt zur Auswahl, und noch besser, solcherlei Verbände, denen es im Eigentlichen nicht so sehr um den Spaß am Spiel geht, sondern eben um das liebe Geld, wie weiland beim Monopoly-Spiel.
Der Fußball-Welt-Verband FIFA schlägt seit einigen Jahren immer dickere Zeilen in die Zeitungen, macht hier durch einen Skandal, bei dem es um Geld geht, auf sich aufmerksam, oder dort mit fairen Abstimmungen über die Spitzenposition im Verband, bei der es um Geld geht. Es wird selten über den Ball geredet bei der FIFA, ja, nicht einmal so oft über marode Stadien. Nein, es geht um Vermarktungs- und Durchführungsrechte von Meisterschaften, die in naher Zukunft immer mehr zu Machtspielmeisterschaften werden. Wie sonst käme man auf die Idee, einen so traditionsreichen
Sport wie Fußball ausgerechnet in einem Land wie Katar auf die Weltbühne zu hieven? Klar, Fußball sollte man überall spielen dürfen und niemand sollte auch den Katarern dieses Recht streitig machen dürfen. Es ist den immerhin 16 im Katarischen Fußballverband organisierten Vereinen sicherlich ein Vergnügen. Nur, zu einer sportlich erreichten WM-Teilnahme hat es beim 92sten der Weltrangliste nie gelangt. Also muss man andere Wege gehen: Option Gastgeberland!
Mit der FIFA und seinem Präsidenten Joseph Blatter, der immer und immer wieder gern betont, dass er der gewählte Chef ist, scheint es ja zu gehen. Über 23 Milliarden Euro sollen angeblich an die FIFA geflossen sein, damit dieses Land den Zuschlag erhält. Inzwischen ist man dort bestens gerüstet und verfügt über eine ganze Reihe WM-tauglicher Stadien.
Diese wurden in den vergangenen Jahren unter fragwürdigen Umständen von zum Großteil ausländischen Arbeitern gebaut, denen während der Bauzeit, nein, nicht gerade eine Eisenkugel ans Bein gebunden, aber denen zum Teil die Pässe entzogen worden waren. Ein Verlassen der Baustelle also, war für sie bei Strafe verboten. Das lebendige Verlassen jedenfalls. Herausgetragen wurden schon viele. Internationale Gewerkschaften befürchten sogar, dass bis zum Beginn der WM im Jahr 2022 etwa 4000 – in Worten: viertausend – Bauarbeiter auf den prestigeträchtigen Stadionbaustellen des Fußballlandes Katar mangels hinreichenden Arbeitsschutzes ihr Leben lassen müssen. Welch ein Preis?
Für die FIFA scheint das bislang überhaupt kein Problem zu sein. Aber auch für das sonstige Publikum nicht.
Während sich die Öffentlichkeit bei anderen Sportarten blitzartig im Angesicht von Doping-Affären oder sonstigen Ungereimtheiten mit öffentlichem Zorn Luft macht, wird hier still gehalten.
Ein kurzer Gedanke zurück an die einst so vielgeliebte Tour de France, jenes legendäre Straßenradrennen, welches als das „härteste“ der Welt gilt, und wahrscheinlich deshalb auch nur mit Stimulantien zu schaffen ist: mit ausreichend Empörung wurden die öffentlichen Gelder, zumindest in Deutschland, dafür gestrichen. Fernsehübertragung gab es nun nur noch über die privaten Sender, denen der Schmutz im Hintergrund egal war, solange er nicht auf der Mattscheibe klebte. Keine Übertragung mehr hieß, keine Steuergelder mehr für Doping und sonstige Ungemach im Dunkel der Radsportwelt. Aber: Radsport ist Randsport – auch wenn es wochenweise nicht so zu sein scheint. Anders als Fußball, das ist Breiten- oder Massensport oder beides zusammen. Ein gesellschaftliches Ereignis also, weswegen es ja auch nicht einfach möglich ist, den Vereinen die anfallenden Polizeieinsätze in Rechnung zu stellen. Weil es ja eine Sache der Öffentlichkeit ist.
Darum auch sollten wir alle also mal in uns gehen und überlegen, inwiefern wir bereit sind, die Fußball-Leichen-Weltmeisterschaft von Katar durch unseren Konsum hinzunehmen! Wäre hierzulande ein Fußball-Funktionär bereit zu sagen: wir fahren trotz Qualifikation nicht zur WM!? Wäre hierzulande ein Fußball-Fan bereit zu sagen: der Fernseher bleibt aus!?
Und wäre es nicht schließlich generell Zeit darüber nachzudenken, einen neuen Fußball-Weltverband zu gründen, einen, dem es eben um den Fußball an sich geht, einen Fußball, der rund ist und ins Eckige muss und bei dem die Spiele so ca. 90 Minuten dauern? Wäre es nicht an der Zeit?
(Shanghai Drenger)