Bildarchiv
Bildarchiv vom 03.09.2015
Ceci n’est pas… - Seit dem 27. August 2014 steht eine große Aluminiumbox im Zentrum Weimars. Vier Meter hoch und etwa zwei mal zwei Meter in der Grundfläche. An allen vier Flächen befinden sich Sichtfenster, die mit Rollläden verschlossen sind.
Öffnen sie sich, wird der Kasten zur Schaubox, in der eine einzelne Person agiert. Täglich seit dem 28. August, jeweils fünf Stunden lang. Ausgedacht hat sich das der holländische Theaterkünstler Dries Verhoeven.
Seine Idee lehnt sich an die berüchtigten Freakshows an, welche in der Vergangenheit als bizarres Ereignis auf Volksfesten zu sehen waren: Menschen mit genetisch bedingten Missbildungen wurden als Attraktion vorgeführt.
Doch anders als damals lässt Verhoeven nun in Weimar jeden Tag ein menschliches Szenenbild darstellen.
Selbstverständlich werden dabei auch keine Abnormitäten ausgestellt, sondern zeitgenössische gesellschaftliche Zustände reflektiert.
Am ersten Tag zerdrosch ein Mann in Uniform Trommeln. Mit zwei Hämmern zerlegte er ein gutes Dutzend. „Ceci n’est pas de l’art“ – „Das ist keine Kunst“ hieß die Szene. Lärm um seiner selbst Willen.
Am zweiten Tag saß ein noch junges schwangeres Teenager – Mädchen auf einem Meer von bunten kleinen Bällen und streichelte zur Musik von Popmusikerin Lykke Li ihren Babybauch. „Ceci n’est pas une mère“
„Dies ist keine Mutter“, lautete der Titel dieser Szene.
Eine durchtriebene Anspielung auf den heutigen Umgang mit Sexualität.
So, wie auch das Szenenbild am Tag drei: „Dies ist keine Liebe“: „Ceci n’est pas de l’amour“. Ein Mann in Unterhose saß auf einem Stuhl. Auf seinem Schoß ein junges Mädchen, dem er aus einem Buch vorlas.
Tag vier zeigte einen jungen Mann mit Gesichtsmaske, der auf einem Haufen Patronen thronte und sein Gewehr reinigte: „Ceci n’est pas le future“, „Dies ist nicht die Zukunft“.
Am Tag fünf hockte ein dunkelhäutiger Mann in Fußschellen im Kasten und übte einige Verrenkungen. Nur mit einem Tuch um die Hüften bekleidet. Daneben ein Blechteller mit Erdnüssen. „Ceci n’est pas l’histoire“, „Dies ist nicht die Geschichte“. Eine ziemlich direkter Kommentar über das Verhältnis Deutschlands zu den Menschen in seinen ehemaligen Kolonien in Südwest – Afrika.
Solche und ähnliche Szenen wollen in provozierender Art die Reaktionen des Publikums herausfordern. Die mutwillig verneinenden Titelzeilen der einzelnen Szenenbilder verstärken das noch.
So entsteht ein verstörendes Gemisch aus Voyeurismus, Verwirrung und Betroffenheit. Das dabei auch Fragen an uns stellt, ohne aufdringlich belehrend zu wirken.
Und genau das ist das Besondere.
Ein kleiner Teil des Stadtraums wird zur Bühne und will mit der Öffentlichkeit kommunizieren. Viele Reaktionen der Passanten bewegen sich erwartungsgemäß zwischen Ablehnung und Beifall. Das wird auch an den Kommentaren auf der kompatiblen Website deutlich. Kurzum: Die Sache polarisiert von Tag zu Tag.
Am Ende der Performances will der Künstler mit dem Publikum über sein Projekt diskutieren. Das soll am Sonntag, dem 06. September passieren.
Bis dahin aber darf man noch auf weitere Ereignisse im Aluminiumkasten gespannt sein.
Zu finden ist er bis zum 06.09. 2015 an der Ecke Wielandstraße / Goetheplatz, jeweils von 14.00 – 19.00 Uhr.
(Claus Bach)