Kommentar
Kommentar vom 16.09.2015
Matthew Herbert - The Shakes - In vielen Zeitschriften gibt es die Rubrik “was macht eigentlich ...”, was schön ist, weil das Leben so rasant geworden ist, das man vieles aus den Augen verliehrt. Sowas möchte ich heute auch mal versuchen, “Was macht eigentlich Matthew Herbert?”, ich gehe mal davon aus, das sich das nicht all zu viele fragen, weil er nie einer war (und ist) den man mit dem Attribut “Schillernd” charakterisieren würde.
Vor Jahren war er mal im Kassablanca in Jena zu sehen und wer dabei war, wird diesen Abend nur schwerlich vergessen, den dieser Mann hat da etwas gezaubert, was man zuvor noch nie gehört hatte, die Musik die er an diesem Abend spielte, entstand an diesem Ort zu dieser Zeit, in dem er vor dem Konzert Töne aufnahm, diese sampelte und live in Musik verwandelte. Sehr beeindruckend, sehr tanzbar und inspirierend für jeden der da war. Das ist bestimmt schon zehn Jahre her und es ist vermeindlich ruhig geworden um ihn, hier und da mal einen Mix für Björk, R.E.M., John Cale, Yoko Ono und Serge Gainsbourg und er produzierte das Solo-Debüt von Róisín Murphy. Neben den Aufnahmen unter eigenem Namen hat er auch Releases unter Pseudonymen wie Doctor Rockit, Wishmountain, Radio Boy, Matthew Herbert Big Band, Transformer und andere herausgebracht. Herbert überschreitet immer wieder Grenzen: Er machte z.B. auch Aufnahmen von menschlichen Körperfunktionsgeräuschen und eine Platte über den Lebenszyklus eines Schweins von der Geburt bis zum Teller. Doch garnicht so wenig!
Mit The Shakes veröffentlicht er nun das erste Dance-Album seit 9 Jahren und kehrt damit zurück zu seinen Wurzeln. Es ist Matthew Herberts erstes Album unter dem Namen Herbert seit seiner sehr zugänglichen Song-Collection 'Scale' (2006/K7!). Er bezeichnet es als „electronic music for the soul.” Das Album beschäftigt sich mit sehr persönlichen Themen wie z.B. die Erziehung und das Heranwachsen von kleinen Kindern vor dem Hintergrund einer zunehmend instabilen Welt.
Ein komplexes Thema, das Herbert aber nicht mit komplexen Soundscapes, sondern sehr tanzbarer und rhythmischer Musik transportiert, und die Songs – deren Titel alle immer nur aus einem einzigen Wort bestehen und häufig mit Gesangstexten anreichert sind. Die Songs heißen „Battle“, „Middle“, „Strong“, „Smart“, „Stop“, „Ones“, „Bed“, „Know“, „Safety“, „Silence“, „Warm“, „Peak“und ich bin mir nicht sicher ob sie irgendeine geheime Botschaft verbergen. – Unterstützt wird Matthew Herbert dabei von Musikern und Vokalisten, die schon mit Radiohead, Amy Winehouse, Blur und James Brown arbeiteten. Der heimliche Star aber ist die restaurierte Kirchenorgel der St. Jude’s Church in Hampstead,von Father Wills, die so mancher Komposition Wärme verleiht. Wer hätte gedacht, dass die Kirchenorgel und Techno so gut zusammen passen?
Weitere bemerkenswerte Highlights sind das Klavier von Herbert Großvaters und ein Klavier von Wormwood Scrubs (auf Smart), die Geräusche der UK Protestmärsche (auf Strong) und der Klang der gebrauchten Kugeln und Granaten von eBay (auf Safety). Vor allem aber überrascht einen Herbert mit viel Pop-Appeal wie in der von souligen Bläsern durchsetzten Up-Tempo-Nummer „Middle“, dem hüpfenden „Strong“ und dem fast schon vergnügten „Even“. So leichtfüßig geht es nicht immer zu, aber trotzdem zeigt sich Matthew Herbert auf THE SHAKES diesmal wieder von seiner zugänglichen Seite und holt seine Hörer zurück auf die Tanzfläche.
Ein spannendes Album das ich hier empfehlen möchte.
Wir hören nun „Middle“!
(dennis klostermann)