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Hörbuchrezension

Hörbuchrezension vom 29.09.2015

Ismaels Orangen - Manchmal beschleicht mich beim Hören von Hörbüchern das Gefühl, die Geschichte bereits nach den ersten Tracks der ersten CD komplett zu Ende deuten zu können. Der Plot ist irgendwie vorhersehbar und logisch. Es kann ja gar nicht anders kommen. Und doch, wie in diesem Fall, dreht sich diese Sichtweise irgendwann. Tatsächlich, der Einstieg in diese durchaus interessante Geschichte ist lang und vor allem auch langatmig, beinahe langweilig, so dass schon nach gut 20 Minuten die Frage aufgerufen wird: will ich das wirklich weiter hören? Immerhin kommen nach dieser ersten noch weitere fünf CDs, also geht da Lebenszeit dahin, wenn ich das bis zum Ende durchziehe. Doch schließlich obsiegt die Hoffnung. Vielleicht wird es ja doch noch ein bisschen besser, und wenn nicht spannender, so doch wenigstens lehrreicher oder auch unterhaltsamer.

Nun, ich kann auch am Ende nicht sagen, ob es irgendwas davon tatsächlich geworden ist. Richtig ist auf jeden Fall, ich habe den Großteil dieses Hörbuches während einer Autofahrt gehört. Niemand hat mich gestört oder abgelenkt, und ich hatte sogar ein weiteres Hörbuch einstecken. Keine schlechte Alternativ, soviel sei gesagt. Doch abschalten wollte ich dieses Hörbuch dann doch nicht und ich war zudem ein wenig irritiert, als die eignelegte CD schon wieder am Ende war. Das sagt mir, es hat mich gefesselt, auch wenn es mir in diesem Fall tatsächlich schwerfällt zu sagen, was es war, das mich so gebunden hat.

Worum geht es in dieser Geschichte im Eigentlichen? Es ist das verlorene Erbe des jungen Salim, Sohn eines wohlhabenden Plantagenbesitzers. Das Haus samt einer Orangenplantage in Jaffa, nicht groß, nicht schick, aber eben ein Haus und ein fruchtbares Grundstück, mussten sie des Krieges wegen verlassen und nach Nazareth fliehen. Ein korrupter Rechtsanwalt, dem sein Vater stets vertraut hatte, hatte während der Abwesenheit das Grundstück samt Haus hinterrücks und ohne Wissen des Vaters an den Staat Israel verkauft. Dieser Betrug wird erst Jahre später auffällig, als Salim sich vornimmt in sein Vaterhaus zurückkehren und dort leben zu wollen. Doch als Palästinenser hat er nicht die Macht diesen Betrug rückgängig zu machen. Er verliert sein Zuhause und beschließt nach England zu gehen um dort zu studieren.

„Ismaels Orangen“ ist eine Geschichte über Vertreibung, eine Geschichte über Fluchten und letztendlich auch eine Geschichte über Ausflüchte. Sehr persönlich am Schicksal eines jungen Palästinensers und einer jungen jüdischen Frau, die beide bald die englische Staatsbürgerschaft besitzen und somit eigentlich Perspektiven hatten, für sich und gemeinsam, denn, soviel vorweg, gegen alle Widerstände aus den Familien wird aus beiden ein Paar.
Das streut Optimismus, denn der Konflikt zwischen Palästinensern und Juden ist alt und für uns Mitteleuropäer nicht wirklich nachvollziehbar, aber ich will uns hier nicht in ein strahlendes Licht rücken, dessen Schein wir nicht verdient haben. Es keimt also Hoffnung in dieser Geschichte, mit ziemlicher Klarheit werden religiöse Dogmen in Frage gestellt und der Vernunft das Wort geredet. Es scheint ein Roman der Zuversicht, eine Geschichte des Gelingens zu werden. Doch nein, natürlich würde das kaum einem Verleger gefallen. Es muss also anders gehen und das Drama, das Unerträgliche muss geschehen.

Die Beziehung zwischen Sal und Jude scheitert irgendwann. Seine Schuld. Sals Bruder Rafan ist aufgetaucht und Sal beginnt ihm zu helfen bei irgendwelchen dubiosen Geschäften an Kuweits Grenze. Das ist zuviel für Jude und als Sal auch noch seine versprochene Anwesenheit bei einer Tanzaufführung von Sohn Mark deswegen zurückzieht, ist der Ofen ganz aus. Sal versucht nun ein letztes Mal und endgültig den bürokratischen und juristischen Kampf mit dem Staat Israel aufzunehmen um am Ende doch noch zu seinem Recht zu kommen.
Ob es gelingt?

Gelesen wird das Buch von Boris Aljinovic, Schauspieler und mittlerweile vielgefragter Hörbuchsprecher. Bereits zweimal ist er als „Bester Interpret“ mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet worden, was wohl für sich spricht.

Also, mein Fazit: beileibe keine einfache Kost, dieses Hörbuch, aber ein Werk voller Anspielungen und Nachdenklichkeiten.

„Ismaels Orangen“ von Claire Hajaj. Erschienen ist die sechs CDs umfassende Ausgabe bei Random House Audio. Gelesen wird das Hörbuch von Boris Aljinovic.
Der Preis im Handel beträgt 19,99 €.

(Shanghai Drenger)

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