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Kommentar

Kommentar vom 16.11.2015

"Uns bleibt immer noch Paris" - Es ist Sonntag. Eine junge Frau legt an der französischen Botschaft Blumen nieder. Sie weint. Ein Reporter fragt sie vorsichtig, warum sie ausgerechnet hier trauert.
Schließlich ist es die französische Botschaft in Beirut, vor der sich die Szene ereignet. Und nur wenige Stunden vor dem Anschlag in Paris sind hier mehr als 40 Menschen gestorben, als zwei Terroranschläge das schiitische Viertel der libanesischen Hauptstadt erschütterten.
Die junge Frau versteht scheinbar die Frage überhaupt nicht. Denn kurz zuvor hatte sie auch an dem Gemeindezentrum, wo eine der Bomben explodiert ist, Blumen niedergelegt.
Und so antwortet sie dem Reporter, dass doch auch die Toten von Paris ihr Leben noch vor sich hatten, dass sie doch auch Familien hatten, die jetzt unglücklich sind. Dass sie doch genauso sinnlos gestorben sind wie die Menschen in Beirut.
Der Reporter wirkt beschämt. Und verabschiedet sich.
Im vergangenen Jahr gab es weltweit etwa 15.000 Terroranschläge. Mehr als 31.000 Menschen wurden dabei getötet, unzählige verletzt. Das geht aus einer Studie der Universität von Maryland hervor.
Rund 50 Prozent der terroristischen Attacken fanden in nur drei Staaten statt: Irak, Pakistan und Afghanistan, fast alle verursacht von al-Qaida und seinen mörderischen Franchise-Unternehmen wie IS, Boko Haram, Taliban und wie sie alle heißen.
Jetzt ruft der französische Präsident den Krieg aus. Natürlich kann man das verstehen. Aber darf das heute, Tage nach dem ersten Schock, noch gelten? Darf man dieser Logik der Gewalt folgen? Wollen wir in einer Welt leben, in der auf die Selbstmordattentate Bombenangriffe und auf die Bombenangriffe Selbstmordattentate folgen?
Und warum jetzt? Waren die Opfer in Paris der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat? Oder haben sie den Terror plötzlich greifbar gemacht, weil ihr Sterben quasi bis zu uns zu hören war? Anders als bei den Terrorakten im Libanon oder in Bagdad?
Jetzt gibt es plötzlich eine Diskussion darüber, ob man sein Facebook-Profil mit den französischen Farben versehen darf oder nicht. Die einen tun es, die anderen nicht und wieder andere schimpfen darüber.
Gründe haben sie alle.
Und natürlich spielt, wenn es um Mitgefühl geht, um Anteilnahme, die Nationalität keine Rolle. Aber man muss die Trikolore nicht als Symbol des Staates Frankreich sehen. Sie kann auch ein Symbol dafür sein, dass Menschen in aller Welt sich auf ihre Fähigkeit besinnen, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Füreinander da zu sein, mitzufühlen.
Und natürlich kennt der Terror keine Ländergrenzen. Das Töten scheint wahllos und deshalb macht es auch solche Angst. Und genau das ist ja das Ziel von Terror.
Und letztlich funktioniert es immer wieder. Die Menschen fühlen sich schutzlos. Seit Jahren wird Krieg geführt gegen den Terror. Das Ergebnis? Mehr Feindschaft, mehr Terror, mehr Fanatismus. Mehr Angst.
Und immer wieder, wenn sich der Gedanke an eine politische Lösung langsam Raum schafft, gibt es einen neuen Anschlag. Und wieder ruft jemand nach Krieg.
Selbstverständlich ist es völlig gleich, wo die Anschläge stattfinden. Aber es ist auch völlig klar, dass jeder Mensch mit seiner Angst anders umgeht.
Und deshalb kann die Forderung nicht sein, auf das Einfärben von Profilbildern zu verzichten. Die Anteilnahme für die Opfer von Paris einzustellen. Sondern eher, die Augen zu öffnen. Auch um die Menschen zu trauern, die weiter weg lebten. Und vor allem, sich nicht lähmen zu lassen.
Denn dann werden wir alle in diese unselige Spirale aus Gewalt und Gegengewalt gezogen. Kein Krieg – auch nicht der heimtückische der Terroristen, kann durch Krieg beendet werden.
Und das ist nicht neu. Wir müssen uns nur daran erinnern.
Wie sagte schon Berta von Suttner? „Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl auswaschen zu wollen. Nur Blut. Das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden.“

(Grit Hasselmann)

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