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Kulturrückblick

Kulturrückblick vom 28.01.2016

Der Taxi Driver im Theaterhaus Jena - Anmoderation
Wir wollen mal wieder einen Blick hinüber nach Jena, in das dortige Kulturgeschehen, werfen. Da gibt es im Theaterhaus heute Abend eine Premiere: ein neues Stück namens „Taxi Driver“ wird aufgeführt. Wolfgang Renner, unser Kulturreporter, hat sich vorab schon mal die Hauptprobe von „Taxi Driver“ angesehen. Und ich begrüße ihn jetzt im Studio. Wolfgang, was hat Dich nach Jena gelockt?


Das Theaterhaus in Jena kennen viele Weimarer nur von außen, wenn sie im Sommer im Rund der Kulturarena stehen... Drinnen wird aber – im restlichen Jahr – eben tatsächlich auch Theater gespielt.
Und das nimmt man in Weimar viel seltener wahr – wer wüsste hier, was heute Abend dort über die Bühne geht, wenn es nicht soeben angesagt worden wäre...
Das Theaterhaus in Jena ist aber schon ein besonderer Ort – nicht nur baulich (da ist es nämlich eine Ruine, der Rest eines einst stolzen Theaters...). Es wirkt auch etwas provisorisch; zum Bühnenraum gelangt man erst, nachdem man Treppen- und Kellergänge durchquert hat. Und so etwas ist dann auch eine passende Hülle für ein Theateaterkonzept (ein Programm oder Spielplan), der mitunter dann auch etwas provisorisch wirkt – auf alle Fälle meist experimentell angelegt ist.
Der Spielplan ist also so ganz anders als beim Staatstheater, viel unkonventioneller – und so kommen die Jenaer, die gern „großes Theater“ haben, eben viel lieber nach Weimar ins DNT.
Andererseits hat das Jenaer Theater dafür überwiegend junge Zuschauer, und zwar in solch einer Zahl, von der andere Theater nur träumen können...


Moderation:
Nun bringen die Jenaer „Taxi Driver“ auf die Theaterbühne. Das ist doch eigentlich ein Film – ein Kult-Film aus den siebziger Jahren, großes Hollywood-Kino. Und das nun auf der kleinen Jenaer Theaterbühne – geht das? Passt das noch in unsere Zeit?


Der Film von Martin Scorsese ist vor genau 40 Jahren in die Kinos gekommen. Er zeigt ein Millieu in New York, in einer Gesellschafts-Ära, die das Trauma des Vietnam-Krieges noch nicht verarbeitet hat...
Der Filmheld Travis – gespielt von Robert de Niro – empfindet, dass die Stadt um ihn herum in Schmutz und Chaos versinkt. Verfallen in Lethargie und gefangen in einer großen Einsamkeit (inmitten von Millionen Menschen), bewegt er sich schlaflos und unentwegt durch die Nächte, im Auto, und doch eigentlich orientierungslos. Der Versuch einer Liebe scheitert. Die Hoffnung, etwas Gutes zu tun, erfüllt sich auch politisch nicht.
Nur flotte Sprüche, und manche Lebenslüge...
Im Film wird dann einer, der nicht geliebt wird, zum Helden der Stadt, weil er sich letztlich radikalisiert und als Einzelkämpfer die Welt zu retten meint – indem er (nach einem misslungenen Attentatsversuch auf einen Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf) Zuhälter und Bordellbesitzer niederschießt, um ein sich prostituierendes, minderjähriges Mädchen aus deren Klauen zu befreien.
Diesen Handlungssträngen folgt das Theaterstück zwar zumeist, ändert aber auch vieles ab – und versucht vor allem, all das zu aktualisieren und in unsere Zeit, und sogar örtlich ins heutige Jena, zu verpflanzen.
Und – um es vorwegzunehmen: das gelingt meines Erachtens nicht immer (aber von einer Probe sollte man vielleicht auch noch nicht auf das fertige Premieren-Produkt schließen...)


Moderation:
Klingt doch aber spannend... Wie kriegt man denn da den Bogen hin zum Gegenwärtigen?


Die Grundfrage im Film wie im Theater ist: Was passiert, wenn ein Einzelner sich radikalisiert? Wenn er sich sicher glaubt, dass letztlich nur noch sein hartes Durchgreifen die Welt retten kann?
Wir leben in einer Zeit und in einem Land, wo derzeit auffallend viele Menschen sehr unzufrieden sind. Sie fühlen sich verraten von der Politik, finden keinen anderen Halt, und wollen nur noch eins: die Veränderung der Verhältnisse, in denen sie leben. Aber wie soll das aussehen? Soll ihr Aufstand friedlich vonstatten gehen? Oder bleibt ihnen nur noch eine todbringende Radikalisierung, um überhaupt noch etwas zu verändern?
Und da tauchen im Jenaer Theater plötzlich Pegida-Parolen auf, und ein dreigeteilter Travis (die eine Person wird durch drei Schauspieler gleichzeitg dargestellt) mutiert zum „Wutbürger“ unserer Zeit.
Im Film avanciert die Hauptperson zum Helden – zu einem Avantgardisten, der endlich mal durchgreift. Das freilich ist fragwürdig. Im Theater löschen sich die Protagonisten dann selbst aus.
Bedrohlich aber bleibt das im Raum stehen, was der Untertitel zum „Taxi Driver“ beschreibt: Die Zeit der totalen Mobilmachung hat begonnen.


Moderation:
Demnach ein wichtiges Stück, das man sehen sollte – wenn man noch Karten bekommt. Es heißt, die ersten Vorstellungen seien bereits ausverkauft...


Wichtig ist das Thema allemal!
Nur, wer den Film kennt – seine Bilder, seinen Handlungsfluss, die flotten Sprüche, auch die Gewalt und all das, was wir unter einem amerikanischen Lifestyle verstehen – der wird dann vielleicht vom Theaterstück enttäuscht sein...
Aber ich sagte ja eingangs: ins Jenaer Theaterhaus gehen überwiegend junge Zuschauer. Und die kennen den Film vielleicht gar nicht mehr. Und dann bekommt das Theaterstück auch eine Eigenständigkeit, die sich thematisch durchaus lohnt.
Ob es auch gut gespielt wird, darüber will ich nach einem Probenbesuch noch nicht urteilen.


Abmoderation:
„Taxi Driver – Die Zeit der totalen Mobilmachung hat begonnen“ hat heute Abend im Theaterhaus Jena Premiere. 40 Jahre nach der Kultfilm-Premiere hat der 40-jährige Regisseur Sebastian Martin sich erneut an das Thema gewagt und es in die Gegenwart versetzt. Die nächsten Aufführungen in Jena sind am Freitag und Sonnabend dieser Woche und noch einmal von Donnerstag bis Sonnabend in der nächsten Woche.

(Wolfgang Renner)

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