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Kulturrückblick

Kulturrückblick vom 25.04.2016

Kulturpolitik der Ernestiner und unsere Gebietsreform - Anmoderation:
Am Sonnabend wurde in Weimar und Gotha die neue Landesausstellung Thüringens eröffnet: 400 Jahre Geschichte der Ernestiner Fürsten ist ihr Thema. Wir haben bereits über Konzepte und Vorhaben der Ausstellung berichtet. Dass diese Ausstellung keine Fürstenhuldigung ist, sondern Querverbindungen auch zu ganz aktuellen Themen herstellen mag, das versucht Wolfgang Renner in seinem Kulturreport heute zu erklären...

Ich habe mir die Ernestiner-Ausstellung in Weimar bisher nur flüchtig anschauen können – und will aus diesem Grunde auch noch nicht werten. Aber schon im Vorfeld hat gerade dieses Ausstellungsvorhaben bei mir einige Fragen aufgeworfen, deren Aspekte interessant und meines Erachtens auch sehr gegenwärtig sind...
Die Geschichte der Ernestiner Fürsten in Mitteldeutschland ist eine Geschichte, die hauptsächlich in zweierlei Hinsicht ganz erhellend sein mag: Einmal; die Förderung von Kultur – ob durch Mäzene oder einen Staat – ist immer schon politisch gewesen. Zum anderen: Die Kultur dient der Repräsentation, also einer Steigerung von Bedeutung in der Wahrnehmung Dritter.
Die Ernestiner waren wirtschaftlich, militärisch, auch politisch nicht gerade sehr erfolgreich. Aber wir feiern sie heute dennoch, weil sie besondere kulturelle Leistungen ermöglicht haben – und über diesen Umweg – Deutschland hinsichtlich Geist, Identität, Symbolkraft, Ausstrahlung auch maßgeblich prägen konnten.

Wieso aber waren Kunst und Kultur politisch? Schon das Beispiel Reformationszeit zeigt es: Ernestiner schützten die Reformationsbewegung, was längst nicht nur religiöse, sondern konkret politisch-wirtschaftliche Hintergründe hatte: Es ging um Machtpositionen gegenüber dem katholischen Kaiser und um Säkularisierung von Klostergütern zugunsten des Fürsteneigentums. Und Lucas Cranach, der Maler und Agitator der Reformation, stellte seine Kunst genau in diesen Dienst.
Dann die Klassiker in Weimar – die Zeit des aufgeklärten Absolutismus, als sich einige Ideen der Französischen Revolution ihren Weg bahnten – da suchte man selbst an einigen Fürstenhöfen nach bürgerlichen Tugenden, wie Gewerbefleiß oder Bildungsstreben – diese nämlich fand man in der bis dahin völlig vom Adel geprägten und eben auch erstarrten Gesellschaft nicht mehr. Salopp gesagt: die armen Ernestiner hatten kaum eine andere Möglichkeit, als diesen Versuch einer Öffnung hin zum Bürgertum. Aber mit diesem progressiven Schritt wurden sie überhaupt erst einmal wieder wahrgenommen, und zwar weit über ihre regionalen Grenzen hinaus. Und es ist wohl keine Herabsetzung, wenn man urteilt, dass Goethe und all die anderen Sturm-und-Drang-Dichter und Weimarer Klassiker demnach letztlich wohl eben auch nur einem politisch begründeten Anspruch dienten – bzw. dafür "vereinnahmt" wurden.

Ebenso - und doch wiederum ganz anders - war es im sogenannten „Silbernen Zeitalter“. Jetzt diente den Ernestinern in Sachsen-Weimar und Eisenach die Erhebung durch Kultur dem Zweck einer bevorstehenden Deutschen Reichsgründung von 1871. Während nach der gescheiter-ten bürgerlichen Revolution von 1848 Deutschland noch immer ein völlig zerrissenes Land war, da fand – wer „deutsch“ fühlte – seine Identität eben nur in der Kultur. Einzig darin war sich Deutschland einig, und der regierende Ernestinerfürst Carl Alexander nutzte diesen Sachverhalt beherzt und ließ – mithilfe neuer Künstleransiedlungen, wie z.B. die von Franz Liszt – Weimar zum Symbolort deutscher Kultur, ja zum Wallfahrtsort des deutschen Bildungsbürgertums aufwerten. Der eigentliche Zweck aber war, dass der Ernestiner als kleiner, wirtschaftlich und sonstwie unbedeutender Fürst im bevorstehenden Deutschen Reich weiterhin wahrgenommen werden wollte, um überhaupt noch eine Rolle darin zu spielen...

Die Verbindung von Kultur und Macht, die spiegelt sich auch noch weiterhin – nach der Fürstenabdankung 1918 – in Epochen der Weimarer Republik mit dem Bauhaus, mit dem Nationalsozialismus in Weimar und selbst in den Zeiten der DDR. Wohingegen sich die Frage nach dem politischen Zweck von kulturellen Leistungen in der Gegenwart gar nicht mehr so eindeutig benennen lässt.
Vielleicht regt eben diese Ernestiner-Ausstellung gerade jetzt auch eine Antwortsuche neuerlich auf solche Fragestellungen an... Viele Künstler heute meinen ja, es gäbe keinen Zweck mehr für ihre Kunst – und das ist eigentlich schwer zu glauben. Weil: wann immer in der Geschichte etwas an Kunst oder Kultur gefördert wurde, hatte dies immer auch einen konkreten politischen Zweck. Und die große deutsche Kultur in Weimar hatte immer auch den Hintergrund, die Bedeutung des kleinen Fürstentums, und vor allem Weimars, notwendigerweise zu erhöhen.

Das ist – so albern das jetzt vielleicht klingen mag – auch wieder einmal ein Thema der Zeit: zum Beispiel u.a. im Zusammenhang mit der vom Lande geplanten Gebietsreform.
Weimar hat eine kulturelle Bedeutung – und zwar überregional. Wenngleich diese Bedeutung derzeit wohl auch nur historisch, und weniger gegenwärtig, erscheint, so ist sie doch vorhanden – und zwar weltkulturerbeweit. Das lässt sich aber im Lebensalltag heutiger Bürger mit derzeitigen Interessen nur schwer vermitteln. Es hat erst einmal nichts mit Stadt, Region oder dem Zuschnitt von Gebietskörperschaften zu tun. Aber dieses Erbe und seine mögliche Inwertsetzung für die Gegenwart braucht auch den politischen Rahmen, die Strukturen für Erhalt, Pflege und Entwicklung. Und das bedeutet auch, über den gegenwärtigen Lebensalltag hinaus, sich die Möglichkeiten für Entscheidungen und auch für die Verwantworten zu erhalten.
Als die Ausstellungsmacher zur Ernestiner-Ausstellung die Schau konzipierten, haben sie sicherlich dabei nicht an solche Aspekte gedacht. Nun stellt aber gerade auch diese Präsentation eine beunruhigende Querverbindung zu solchen aktuellen Fragen her.


Abmoderation:
Die politische Bedeutung und der kulturelle Nutzen dafür... Ein Thema, das Weimar seit Jahrhunderten beschäftigt. Wolfgang Renner nahm die neu eröffnete Landesausstellung über die Ernestiner in Weimar zum Anlass, wieder einmal auch über solche Fragen nachzudenken.

(Wolfgang Renner)

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