Kommentar
Kommentar vom 04.05.2010
Erster Mai - Wem gehört die Straße? - Eines vorneweg: Natürlich pflegen Nazis eine menschenverachtende Ideologie, indem sie Minderheiten zu Sündenböcken stilisieren und die Lösung aller Probleme qua Ausmerzung dieser Minderheiten versprechen. Und natürlich ist dieses Weltbild so einfach gestrickt, dass man es a priori ablehnen muss. Mehr noch: nationalsozialistisches Gedankengut muss mit geeigneten Mitteln bekämpft werden.
Aber etwas anderes ist ebenso richtig. Jeder in Deutschland hat das Recht zu demonstrieren, wenn die Demonstration gerichtlich erlaubt wurde. Auch dann, wenn einem die Gesinnung der Demonstranten nicht passt. Auch dann, wenn es sich um Nazis handelt. Wer damit ein Problem hat, hat ein gespaltenes Verhältnis zum Rechtsstaat. Besonders infam ist es, wenn ein Stellvertreter des zweithöchsten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland meint sich über geltenes Recht hinwegsetzen zu dürfen. Wolfgang Thierse hat sich an Straßenblockaden beteiligt und damit Nötigung betrieben. Dass er seinen Prominentenstatus dahingehend ausnutzt, um sein Gutmenschentum über geltendes Recht zu stellen, zeugt davon, dass er in der Bundesrepublik immer noch nicht angekommen ist. In so fern erscheinen die Forderungen der Polizeigewerkschaften nach Thierses Rücktritt folgerichtig. Die SPD sollte sich fragen, ob dieser Mann weiterhin Vizepräsident des Bundestages sein darf.
Die politische Establishment reagiert auch sonst gewohnt hilflos. Wieder einmal wird nach einem NPD-Verbot gerufen. Wenn man unfähig ist, einen Gegner politisch zu bekämpfen, will man ihn eben vernichten. Dabei wäre es relativ einfach, den Nazis das Wasser abzugraben. Menschenwürdige Lebensbedingungen für Arbeitslose und Beschäftigte zu schaffen, wäre ein erster Schritt.
Darüber hinaus mutet der antifaschistische Protest des Straßenblockierens geradezu hysterisch an. Was bitteschön soll denn passieren, wenn ein paar hundert Nazis – eingekesselt von mindestens ebenso vielen Polizisten – ihre erlaubte Demoroute ablaufen? Würde deswegen ein Führer 2.0 entstehen?
Es geht wohl um die Frage: Wem gehört die Straße? Die gehört aber weder den bösen Nazis noch den linken Gutmenschen noch den Polizisten. Die gehört – das sollte jeder wissen, der mal Monopoly gespielt hat – ganz anderen. Und die freuen sich ganz besonders über das infantile Katz und Maus-Spiel der verschiedenen Akteure auf der Straße.
(Oliver Kröning)