Kulturrückblick
Kulturrückblick vom 09.05.2016
Ernestiner, Jährling, Wirth - Anmoderation:
Es gibt einige bemerkenswerte Ausstellungen derzeit. Das stellt Wolfgang Renner in seinem nun folgenden Kulturreport fest. Er hat eine Ausstellungsrunde gemacht – von den Ernestinern bis zur Dorfkirche Oettern und über die Wirksamkeit mancher Ausstellungen nachgedacht...
Früher, so erinnere ich mich, habe ich meist nur im Winterhalbjahr Museen und Austellungen besucht. Jetzt ist es immer häufiger auch die lichte Sommerzeit, in der man mit besonderen Ausstellungen aufwartet. Auch sollen in der freundlicheren Reisezeit immer mehr Kunstfreunde unter den Touristen angelockt werden. Freilich, die Ausstellungen werden immer aufwändiger, immer teurer, brauchen daher umso mehr Besucher, um bestehen zu können. Damit aber befindet sich das moderne Ausstellungswesen auf einer Gratwanderung einerseits zwischen Bildungs- oder Wissensvermittlung und der Aufgabe, unbedingt originell, außergewöhnlich und ganz besonders interessant zu sein andererseits. Der Erfolg einer Ausstellung wird neuerlich zuerst durch Besucherzahlen bemessen, und seltener durch Inhalte...
Nehmen wir die Thüringer Landesausstellungen. Derzeit gibt es solche gleichzeitig in Gotha und Weimar, und zwar über die Geschichte und das Wirken der Ernestiner Fürsten. Nun ist die Geschichte der Ernestiner sehr wichtig für uns Thüringer. Und das Wirken der Ernestiner mag uns erst begreiflich machen, warum Weimar das wurde, was es heute ist. Es sind an sich überfällige Themen für unsere Region. Aber – und das stelle ich in der Begegnung mit Touristen permanent fest – die Gäste aus anderen Bundesländern interessieren sich dafür weniger.
Das war in gewisser Weise auch bei Lucas Cranach oder Henry van de Velde schon so – es waren ebenso große und großartige, durchaus erhellende Ausstellungen – aber den ganz großen Run und eine europaweite Ausstrahlung, die man sich vielleicht viel mehr noch erhofft hatte, die blieben dann doch aus. Und als die Schau „Krieg der Geister“ vor zwei Jahren lief – für mich die lehrreichste, beeindruckendste der hier genannten Ausstellungen, die hatte nur 6.000 Besucher, und wurde hernach in der medialen Reflexion als ein Misserfolg gewertet...
Was also muss man tun für eine noch größere Aufmerksamkeit?
Eine mögliche Antwort der Ausstellungsmacher scheint dabei zu sein, Objekte und Bilder jetzt nicht mehr nur zu zeigen, sondern wahrhaft zu inszenieren. Kuratoren, Designer und Ausstellungsarchitekten werden immer wichtiger, - bei Gefahr einer Verselbständigung ihrer Arbeit.
Solch einen Eindruck hatte ich beispielsweise auch, als ich mir kürzlich die neu eröffnete, Ausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald angesehen habe.
Aber zurück zur Ernestiner-Ausstellung: Sie wird im wesentlichen im Neuen Museum gezeigt, und ist sehr sehenswert, mitunter opulent. All jenen, die nicht allzu geschichtsbewandert sind, muss man diese aber wohl sehr gut vermitteln. Der Ausstellungspart im Residenzschloss dagegen wirkt mir etwas hilflos gestaltet und kaum schlüssig platziert. Da sind die Gemälde der alten Meister an den Wänden letztlich viel wirkungsvoller als die Bau-Modelle, Zeichnungen oder Urkunden, die man in deren Räume in Virtrinen einfach dazwischen gestellt hat.
Aber es gibt nicht nur die großen Ausstellungs-Events, sondern eben auch immer noch die kleinen, feinen, ganz „normalen“. Und während Weimar auf den Ansturm kulturbeflissener Touristen setzt, wartet man in der Region rings um die Stadt zugleich auf die Weimarer Kunstfreunde.
Da wurde beispielsweise in der Kulturfabrik Apolda (nicht im Kunsthaus) am Wochenende eine Horst Jährling- Ausstellung eröffnet. Diese Kulturfabrik hat seit meinem letzten Besuch merklich gewonnen; wirkt längst nicht mehr so sehr als Brache, wie vordem. Und Jährling, der Weimarer Maler, gehört auch hierher, weil er viele Jahre für die Glockengießerei in Apolda gearbeitet hat.
Zu sehen sind Jährling-typische Bilder: flächige Landschaftsstrukturen, farbige Emotionen – hier in Apolda weniger das Weiß und Grau von Schneelandschaften als viel mehr Grün und Blau und machmal auch das Rot der Dachziegel von Industriebrachen, Schornsteinen – zu Apolda irgendwie passend.
Und dann möchte ich noch auf eine kleine, bescheidene, Ausstellung hinweisen, die mich sehr berührt hat: In der Dorfkirche von Oettern sind Bleistiftzeichungen, Reiseskizzen, Architekturbilder aus aller Welt von Hermann Wirth zu sehen. Prof. Wirth ist in Weimar stadtbekannt, ein Denkmalpfleger, wie man ihn sich wünscht: Querdenker, klug, und er vermag auch zu poltern, wo es nottut. Jetzt, wo er längst emeritiert ist und – wie zu hören war – möglicherweise auch Weimar verlassen wird – da erfahren wir endlich, dass er nicht nur Architekt u. Denkmalpfleger, sondern auch ein begnadeter Künstler ist. Er selbst mag diese Zeichnungen einst vielleicht „nur“ als Dokumente, als Studien, angesehen haben. Mich erinnern sie bisweilen auch an die Zeichnungen der Klassizisten im Weimarer Schloss. Und jenen gegenüber brauchen sich die Blätter von Wirth – so finde ich – gar nicht zu verstecken. Hat mir jedenfalls gut gefallen.
Und ebenso gefallen hat mir wieder einmal, dass unsere nicht immer sehr bedeutende Region doch so vieles an Weltkunst und gleichzeitig an regionaler künstlerischer Vielfalt hervorbringt – an großen, und nicht zu vergessen, auch an kleinen Ausstellungen ringsum.
(Wolfgang Renner)