Kulturrückblick
Kulturrückblick vom 17.05.2016
Kauffmann, Weimar und die Welt - Anmoderation:
Das Pfingstfestival auf Schloss Ettersburg ist in vollem Gange. Das Programm – ein Crossover aus Lesungen, Konzerten, Führungen und Gesprächen. Auch gestern gab es ein „Ettersburger Gespräch“, Bernd Kauffmann war dazu eingeladen und Wolfgang Renner hat sich seine Ausführungen angehört...
Am blauen Pfingstmontagnachmittag im grünen Park von Ettersburg gab es neuerlich eines der „Ettersburger Gespräche“ - meist sind diese ja sehr anregend und erhellend für den Geist. Diesmal nun hieß es dort: „Vorwärts nach weit. Weimar und die Welt.“ Geladen war Weimars ehemaliger "Kulturstadtgeneral" und Stiftungspräsident Bernd Kauffmann und befragt wurde er – weil es ja Gespräch, und nicht ein Vortrag sein sollte – von Dr. Wolfgang Hirsch, dem Kulturressortleiter der TLZ.
Nun muss man wohl erst einmal diesen Titel erklären: Der Ausspruch „vorwärts nach weit“ stammt vom Dadaisten Kurt Schwitters und bezieht sich auf Hannover – das, wenn man es rückwärts liest „re von nah“ heißt, und dessen Gegenteil wiederum wäre „vorwärts nach weit“... Dadaismus eben.
Dann aber kam auch „Weimar und die Welt“ hinzu, und deshalb waren auch Zuhörer zahlreich gekommen – meist gut situierte Bildungsbürger (oder „Kulturbürger“, wie die TLZ sie nennt), zumeist im fortgeschrittenen Lebensalter. Die Strahlkraft Kauffmanns für die jungen Weimarer hält sich offenbar in Grenzen. Und Kauffmann selbst muss am Ende der Veranstaltung auch eingestehen, dass er wohl ein „Auslaufmodell“ sei, und dass er viele künstlerischen Ansätze der Jungen nicht mehr recht verstehe. Weshalb er auch so ein Ereignis, wie das Europäische Kulturstadtjahr von 1999 in Weimar wohl nicht mehr gestalten könnte...
Bis es aber zu solch Eingeständnis kam, gab es wieder die gewohnte Kanonade an Provokationen und Aussprüchen, die man in Weimar einerseits liebt, aber auch leidenschaftlich hasst. Da sprach er zum Beispiel von Weimar als einer gerontologischen Dauerveranstaltung, und wenn er den Tourismus in der Stadt beobachte, dann sei dies für ihn ein „Rollator“-Festival. Auch sein berühmter Spruch vom Friedhof in Chicago tauchte wieder auf: Weimar sei nur halb so groß wie der Friedhof in Chicago, aber doppelt so tot.“
Nun, Kauffmann hatte es einst auch zehn Jahre lang selbst in der Hand, etwas daran zu ändern – bevor er vor 15 Jahren Weimar wieder verließ, und nicht wiederkommen werde, wie er bekräftigte... Er hatte als einer der wenigen damals auch eine gewisse „Handlungskompetenz“, wie er es in einem anderem Zusammenhang nannte: nämlich dass es stets sehr viele gute Ideen überall gäbe; es hätten aber nur wenige die Möglichkeit, ihre Ideen auch zu realisieren. Dafür brauche es einer „Gnade“ der Umstände, wie zum Beispiel die der Politik...
Kauffmanns Provokationen sollte man recht zu nehmen wissen; denn was mitunter als beleidigend, gar verletzend, empfunden wird, ist doch letztlich nur eine symbolisch überhöhte Wahrheit. Im Grunde zielt Kauffmann, Weimar betreffend, immer wieder auf dasselbe ab: Weimar "putzt nur sein Silber", und eben das ist nicht genug, um es für die Gegenwart produktiv und fruchtbar zu machen. Dabei ist doch gerade hier schon so viel gedacht, geschrieben und experimentiert worden, kulminieren doch gerade hier so viele Ereignisse, aus denen man Impulse für die gegenwärtigen Fragen und Probleme schöpfen könnte.
Aber, was nur gedacht, und nicht als Exponat greifbar ist, erkennt man heute nicht als Wert: „Wir verpacken das Erbe in Kartons und lagern es im Museum als Erinnerung ab“ – sagt Kauffmann.
Und so wird auch alles immer wieder neu erfunden, resümiert er. Und beklagt die fehlende Außenwahrnehmung für die Stadt, über die Region hinaus. Anstatt, dass alle Institutionen vor Ort für die eine, die ganz große, Weimar- Idee gemeinsam wirken würden, wird alles aufgeteilt, kleinteilig strukturiert – Egomanie mit unsäglicher Bürokratie.
Dieser Zustand ist freilich teils ein politisches Problem, aber es liegt auch an einzelnen Menschen, und auch an der Digitalisierung vieler Lebensbereiche, am Verlust der Originalität in unserer Zeit... Kauffmann verbreitet wenig Zuversicht, dass sich in Weimar, oder in ganz Deutschland, in nächster Zeit da etwas grundlgend ändern könnte.
Bei der Diskussion um eine Lebendigkeit in der Klassikerstadt, wurde er befragt, ob denn nicht die Studenten den Ort beleben würden? Seine Antwort: ...eine studentische Generation, die zu diesen Zuständen heute, zu diesem Staat, nichts sagt, und nicht protestiert, die finde er empörend...
Natürlich kam man auch noch auf das fehlende Geld für die Kultur zu sprechen. Und Kauffmann: .. es gehe nicht immer nur ums große Geld; es gehe vielmehr darum, die „Gnade der Zeit“ zu treffen – die richtige Idee für den rechten Moment zu haben – und wenn das gelingt, dann ist das allerdings kein Highlight oder kein Event mehr, sondern einfach nur eine gute Veranstaltung. Und die wird für die Zuschauer, die Menschen, interessant.
Man merkte sofort, es war wieder einmal einer der berühmten Kauffmannschen Rundumschläge. Allerdings diesmal weniger weit und vorwärts gewandt, wie der Veranstaltungstitel hoffen ließ, Da hatte wohl mancher Besucher viel mehr erwartet als nur eine Wahrnehmung gegenwärtiger Zustände. Und Moderator Hirsch hat da auch nicht weiter nachgefragt, er wirkte überhaupt etwas ziellos in seiner Befragung. Und so behielt das ganze Gespräch dann letztlich etwas Unbefriedigendes, Unfertiges. Das Ende kam schnell, weil ja jede weitere Frage wohl doch nur eine weitere Schelte oder etwas Melancholie enthalten hätte – und kaum wirklich Ergiebiges zum Weiter und Vorwärts in Weimars Kultur...
Abmoderation:
„Vorwärts nach weit. Weimar und die Welt“ - so lautete die Überschrift zum „Ettersburger Gespräch“, das gestern im Rahmen des Pfingsfestivals auf Schloss Ettersburg stattfand. Gesprächspartner war der ehemalige „Kulturstadtgeneral“ Bernd Kauffmann. Und Wolfgang Renner hat zugehört...
(Wolfgang Renner)