Kommentar
Kommentar vom 24.05.2002
Bush in Berlin - Man darf gespannt sein, was die kommenden Meinungsumfragen vermelden. Schaute man bisher in den Spiegel, war zu lesen, dass das bundesdeutsche Urteil über Bush zu über 50 % auf "unfähig" bis "gefährlich" lautete. Aber mit dem gestrigen Besuch wurde aus einem unilateral über den Atlantik dahinfliegenden Texas-Cowboy, erst ein Planwagen-Tourist auf dem Weg nach Europa und schließlich stieg ein freundlicher - etwas linkisch "Danke Gehard" sprechender Duz-Freund George von seiner gezähmten Air Force One.
Der Bundeskanzler und der Aussenminister kannten das ja schon. Aber auch die Fraktionsvorsitzenden und weitere 30 Parlamentarier wurden durch ein 20-minütiges Gespräch überzeugt. Und die Nation ist es wahrscheinlich auch. Immerhin konnte Rezzo Schlauch politisch korrekt mal die Ablehnung des Kyoto-Protokolls antippen und Thierse besprach sogar den internationnalen Gerichtshof, und den ABM-Vertrag, die Einfuhrzölle und die Landwirtschaftspolitik.
Aber egal: Sogar der poltrige SPD Mann Struck war ganz positiv angetan und berichtete mit großen Augen über einen sympathischen Herr Bush. Die demonstrationsfreudige Petra Paus der PDS war "angenehm überrascht" und fand die Stör-Aktion ihrer westlichen Fraktionskollegen "völlig deplatziert". Und der gute Herr Merz flog geradezu vor Bestätigungsgefühl. Zusätzlich euphorisiert von der Erkenntnis, dass die Diskussion um Iraq und Hussein eine wahlkampftaugliche Formel wird: "unser gemeinsames Problem" wie er sagt "unsere Sicherheit".
Aber haben wir mit diesem Besuch mehr bekommen als die Erfahrung des "Sympathiewerts" des Mr. President? Putins perfektes Deutsch im Bundestag - aus KGB-Agentenzeit - ließ immerhin Tschetschenien vergessen und malte den kalten Krieg in schönen Farben. Was brachte Bush? Natürlich kam er nicht mit einem Satz "Ich bin ein Berliner" er kam nämlich nicht väterlich um das geknickte Selbstbewußtsein Nachkriegsdeutschlands aufzurichten.
Bush dominierte nicht paternal, er beschränkte sich darauf, immer wieder die Freundschafts- und Partner-Rolle Deutschlands hervorzuheben, die Wertschätzung "Gerhards" und des Aussenministers Fischer, Bush trat selbstbewußt aber mit viel Respekt auf dabei linkisch wirkend manchmal fast eingeschüchtert. Und genau das hat uns Bush mitgebracht: Es geht um die neue Rolle Deutschlands - die Annerkennung Deutschlands als Sprecher für eine gemeinsame europäische und internationale Politik. "Das starke Deutschland ist gut für die ganze Welt" sagt Bush. Bei seinen Iraq-Plänen will er uns und Europa immerhin konsultieren. Das ist ein Erfolg europäischer Politik aber wie Kerstin Müller richtig anmerkt: Das bedeutet keine Absage an Militärpläne. Auch der Atomwaffenvertrag mit Russland ist schön aber wenig.
Europa konnte in der Tat durchsetzten, dass Militäreinsätze, die von der internationalen Staatengemeinschaft befürwortet werden, nicht nur verbrannte Erde und neue Krisenherde hinterlassen. Eine solche Nachsorge - nach dem Vorbild des amerikanischen Marshall-Plans - ist neu. Aber dieser Erfolg ist nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer tatsächlich präventiven Politik weltweit - dafür müssen Bush und Europa noch weit reiten.
Aber was mich wirklich interessiert: Worüber hat Helmut Kohl gelacht? Stoiber hat gar nicht gelacht, aber Kohl hat gelacht, während der Rede Bushs - als er da so saß, eingeklemmt in die Parlamentarierbank, als ehemaliger Bundeskanzler ausnahmsweise mal zugelassen in der Reihe zwei. War es seine Vorfreude, auf ein Regierungstrio aus Merz, Stoiber und Merkel vor ihm? - Endlich (!) würde der Rüstungsetat steigen, das Familiengeld gezahlt, das Renten- und Gesundheitssystem saniert und die Steuer gesenkt, Tschechien aus Europa verbannt? - Hat Kohl nur über einen Witz des Nachbarn gelacht, oder tatsächlich über einen Satz von Bush... ich glaube er sagte gerade "...unermüdlich und entschlossen! werden wir die Feinde des Friedens besiegen..."
(Till Hafner)