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Kulturrückblick

Kulturrückblick vom 04.07.2016

Urgeschichte muss in Weimar bleiben - Anmoderation:
Warum Weimars Frühgeschichte hier am Ort bleiben muss – dieser Frage stellt sich Wolfgang Renner heute in seinem „Kulturreport“. Der Grund: Kürzlich berichtete eine Thüringer Zeitung, dass man in der Landesregierung die Verlegung des Weimarer Museums für Ur- und Frühgeschichte nach Erfurt plane.


Weimar hat 34 Museen, 2019 werden es 36 sein. Vielleicht kommt irgendwann noch eins für Bach und seine Söhne hinzu oder für Herder und Wieland. Die Zahl der musealen Einrichtungen ist beachtlich, und eigentlich genug – könnte man meinen. Warum also sollte Weimar dann nicht einfach eins abgeben können – nach Erfurt zum Beispiel. Dort braucht man ganz dringend eine Nutzung für die seit langem leer stehende Defänsionskaserne auf dem Petersberg – weil dort das Zentrum der Bundesgartenschau 2021 entstehen soll, macht sich ein Leerstand nicht gut.

Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass Erfurt gut funktio-nierende Einrichtungen anderer Städte übernommen hat: Das Weimarer Landesfunkhaus steht deshalb leer. Anstatt einer Universitätsneugründung in Erfurt hätte man Jenas traditionsreiche Uni vielleicht noch besser profiliert. Ein Opernhaus entstand in Erfurt ganz, dabei hat es in der Stadt gleich zwei Theater gegeben, die angeblich baufällig waren, jetzt aber – ohne grundlegende Sanierung – wieder genutzt werden, durch Vereine und private Betreiber. Aber der Erfurter Oper fehlt das passende Orchester, womit neue Begehrlichkeiten ausgelöst werden. In Gera entstand zu DDR-Zeiten das beliebte Kinderfilmfestival „Goldener Spatz“, das man nach Erfurt verpflanzt hat. Und Gothas großartige historische Bibliothek befindet sich zwar noch am Ort, gehört jetzt aber zur Universität Erfurt. Und so weiter... Man merkt, nicht nur Weimar leidet an der einnehmenden Landeshauptstadt, aber hier wird es wahrlich brisant, wenn man nach Nationaltheater, Opernensemble, Staatskapelle oder auch an die vielen hundert Arbeitsplätze beim Landesverwaltungsamt greift.

Die Nachricht von der Verlegung des Museums für Ur- und Frühgeschichte scheint dagegen etwas unspektakulärer auszufallen: Nur ein Museum - zudem noch eine Landes-einrichtung, wobei in Weimar niemand ums Einverständnis befragt werden müsste. Eine Absprache mit der Stadt Weimar diesbezüglich wäre zwar stilvoller, auch erwartbar gewesen, so aber erfuhren die Weimarer vom Vorhaben wieder einmal nur aus der Presse. So viel zu Stimmungen und Spannungen in der Kulturpolitik, und zu der zu erwartenden Thüringer Gebietsreform...

Eigentlich könnte ja alles recht einfach sein. Man begreift die Städte Erfurt, Weimar und Jena als eine gemeinsame Metropole (gefühltermaßen) und hat dann auf einer Linie von nur 50 Kilometern eine Kulturdichte an Oper, Theatern, Festivals, Museen und Galerien, Bibliotheken und andere Bildungs- und Forschungseinrichtungen, bei der Städte wie München oder Hamburg erblassen mögen.
Auf den zweiten Blick aber ist es dann doch nicht so einfach: Zu unterschiedlich ist die Geschichte in den drei Städten verlaufen. Und es war nun mal kein Zufall, dass ausgerechnet Weimar zu solch einem symbolgeladenen Ort deutscher und europäischer Kultur, und letztlich zu einem Mythos geworden ist. Das war durchaus ein logischer Prozess.
Nun kann man die Frage stellen, was hat ausgerechnet die Ur- und Frühgeschichte Thüringens mit Weimar als einen Symbolort der Kultur zu tun? Sie hat – und das wird in Huldigung von Klassik, Bauhaus oder Reformation oft überdeckt: Die Kulturstadt ist nämlich zugleich auch eine besondere Naturstadt; da gibt es ein Zusammenspiel von geologischem Bau unter der Stadt und der darüber geformten Landschaft, von Grundwasser, Fluss und Quellen wie auch klimatischen Verhältnissen. Lebensqualitäten, Siedlungsstandorte, Baugeschehen, Lebensformen und nicht zuletzt die Kultur entwickelten sich daraus. Weimar lebt von diesem Zusammenspiel – und zwar von Anbeginn. Die natürlichen Bedingungen haben eine sehr frühe Besiedlung ermöglicht, und zwar hier. Und geologische Bildungen des Travertin haben die Funde und deren Erforschung auch nur hier so ermöglicht. Deswegen ist das Museum als Forschungseinrichtung hier in Weimar gegründet worden, und es hat von Weimar aus zeit seiner Existenz weltweit eine große Aufmerksamkeit in Fachkreisen erhalten. Im heutigen Alltag aber scheint es nicht mehr populär genug, und so wird ein kulturpolitischer Aktionismus auch leichter möglich. Eine vermeintliche Vernunft in der Haushaltspolitik hebt sich da über Traditionen und auch über eine fachliche Logik hinweg.
Die Kulturstadt Weimar ist ein Gesamtwerk von Natur und Frühgeschichte, von Reformation, Klassik und so weiter, bis zur Moderne und Gegenwart – eins bedingt da das andere. Und wer da so einfach ein Mosaiksteinchen entfernt, beschädigt letztlich das gesamte Bild.

Ja, und dann ist da noch das real existierend einnehmende Wesen der Landeshauptstadt – und das verstärkt dann noch einmal das Problem.
In diesem Zusammenhang würde ich mich beispielsweise gar nicht wundern, wenn 2019 – falls die Stadt Weimar ihre Ankündgung zum finanziellen Ausstieg aus dem hiesigen Kunstfest wahrmachen sollte – das Weimarer Kunstfest landesfinanziert auch in der Landeshauptstadt Erfurt stattfinden wird.


Abmoderation:
Für unerfreuliche Nachrichten wählt man gern das Sommerloch oder Zeiten von internationalen Fußball-meisterschaften: Diesmal nun also die Verlegung eines Museums von Weimar nach Erfurt. Dass dieses Vorhaben das Gesamtwerk Weimar – jenes Zusammenspiel von Natur-, Früh- und Kulturgeschichte – zerstören würde, erläuterte Wolfgang Renner im Kulturreport bei Radio LOTTE.

(Wolfgang Renner)

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