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Kommentar

Kommentar vom 27.07.2010

Love Parade - das Ende eines Massenspektakels - Duisburg, die drittgrößte Stadt im Ruhrgebiet, ist wahrlich nicht zu beneiden: eine öde Innenstadt, hohe Arbeitslosigkeit, eine rasante Abwanderung, der MSV dümpelt in der Zweiten Liga rum ... und nun auch noch das: bei der Love Parade sterben 20 Menschen, über 500 werden verletzt. Es ist wirklich unglaublich, welche gravierenden Fehler schon im Vorfeld begangen wurden: ein Areal für 250.000 Menschen soll die Veranstaltungsfläche sein, obwohl man von über einer Millionen Besuchern ausgehen musste. Es gibt nur einen Zugang, der gleichzeitig Ausgang ist und führt durch einen langen Tunnel. Es gab zahlreiche Warnungen im Vorfeld, auch von der Polizei, aber sie wurden nicht gehört. Man glaubt, man wäre irgendwo in der Dritten Welt, aber nicht in Deutschland.

Als wollte man in Sachen Unfähigkeit noch einen draufsetzen, wird am Sonntag eine Pressekonferenz ins Leben gerufen, aber es wird nichts gesagt - außer Betroffenheitsrhetorik, die niemandem etwas nützt. Veranstalter Rainer Schaller und Duisburgs CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland sind die Hauptverantwortlichen. Aber während CDU-Politiker gerade reihenweise grundlos zurücktreten, klebt Sauerland an seinem Sessel. Lange wird er sich aber dort nicht mehr halten können.

Die 20 Toten sind die Opfer kommerzieller Interessen, hört man aus Kreisen der Polizeigewerkschaft. Das ist richtig, denn mit der Love Parade wurde in den letzten Jahren viel Geld verdient. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Tragen die Millionenmassen der Zuschauer nicht auch einen Teil der Schuld? Ist es zu verantworten, dass man sich betrunken oder durch illegale Drogen aufgeputscht ins Gewimmel stürzt? Was ist überhaupt von Menschen zu halten, die sich freiwillig zu Herdentieren degradieren? Warum verhalten sich Menschen wie die Lemminge und laufen höchst fragwürdigen Massenphänomenen hinterher? Der Monty Python-Witz, der am ärgsten im Halse stecken bleibt, geht so: Brian ruft dem Volk zu: „Ihr seid alle Individuen!“. Der tausendfache Chor des Volkes antwortet umgehend: „Ja, wir sind alle Individuen!“.

Die Love Parade stand fast zwei Jahrzehnte paradigmatisch für eine entpolitisierte Generation, die die Unerträglichkeit der Realität akzeptiert hat und zum Ausgleich glaubte, mit Techno und Drogen zeitweise Spaß haben zu können. Damit ist nun Schluss. Die Love Parade wird es nicht mehr geben. Und das ist auch gut so. Schade nur, dass der Schlussstrich nicht aus Einsicht erfolgte. Schade, dass dafür 20 Menschen sterben mussten.

(Oliver Kröning)

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