Hörbuchrezension
Hörbuchrezension vom 01.12.2009
Sandor Márai: Die Möwe - Sie tritt in sein Leben, als er als ungarischer Minister eine verhängnisvolle Entscheidung für sein Land getroffen hat. Aino Lainen, die geheimnisvolle Finnin, hat verblüffende Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Geliebten und wirft den sonst so kontrollierten Mann völlig aus der Bahn. Weshalb taucht die seltsam vertraute Fremde gerade jetzt auf? Es beginnt ein gefährliches Spiel zwischen Leidenschaft, Sehnsucht und Zerstörung. Ein elegantes, vielschichtiges Kammerspiel – einfühlsam interpretiert von Ulrich Noethen.
Es ist der erbitterte Kampf dieser Zeit, zwischen der nationalsozialistisch-faschistischen und der marxistisch-kommunistischen Weltsicht, der den historischen Hintergrund von »Die Möwe« bildet. Eine Notiz in seinen Tagebüchern lässt darauf schließen, dass dieser zugrunde liegende Ideologiekonflikt ausschlaggebend für den Titel des Werkes war:
„Ich hatte eine »Möwe beobachtet, die regungslos in der Höhe stehend das Ufer abspähte … nach vorne sieht sie nicht, den Horizont kennt sie nur in der Perspektive der rechten und der linken Hemisphäre. Ähnlich wie ein Ideologe, der die menschliche Welt allein aus rechter oder linker Sicht kennt. Doch man kann auch gerade sehen, … dazu braucht man eine Stirn und in ihr Augen.“
Márai hatte diese Augen, diesen aufgeweckten Beobachtungssinn der ihn davor bewahrte, den leeren Versprechungen der Ideologen zu erliegen. Er bewahrte sich stets seinen kritischen Geist – in alle ideologischen Himmelsrichtungen.
Sandor Márai, Die Möwe, gelesen von Ulrich Noethen
Preis: 25,99 Euro
ISBN 978-3-89813-800-0
Erschienen im Audio-Verlag, www.der-audio-verlag.de
(Burkhardt Kolbmüller)