Kommentar
Kommentar vom 19.07.2002
Monarchie - Ich hatte es ja fast befürchtet, und jetzt ist es passiert:
Die Entscheidung ist gefallen, das Berliner Stadtschloss, errichtet 1450, im 2. Weltkrieg stark beschädigt, danach restlos beseitigt, es soll wieder hingebaut werden.
Mit seinen barocken Fassaden.
Dafür wird der Palast der Republik, der dann seinerseits im Weg ist, abgerissen und entfernt.
Der Bundestag hat sich also entschieden, gegen einen offenen Architektenwettbe-werb zum Beispiel, und gegen die Chance, dem alten Schloss einen neuen Entwurf entgegenzustellen, und Wolfgang Thierse hat es gesagt: Der barocke Bau ist die bessere Lösung.
Besser als was, hat er nicht gesagt. Wir vermuten: Besser als alles, was heutige Ar-chitekten je hervor bringen können. Nun ja ... Lauschen wir einen Moment dem kol-lektiven Aufschrei eines ganzen Berufsstandes.
Und dann beruft man sich auch noch auf das Beispiel der Dresdner Frauenkirche, und unterschlägt dabei, dass deren Ruine, auch noch 50 Jahre nach Kriegsende, zwischen den Steinen des einstigen Bauwerkes bestand und die so verlorene Kuba-tur zwischen ihren Mauerstümpfen beschwor.
Würde denn je jemand auf die Idee kommen, die Pariser Opera Bastille, dieses edel-stahlglänzende Monstrum abzureißen, das genau jener Carlos Ott auf dem Gewissen hat, der Weimar die absurd unfunktionale Klinikmaschine beschert hat, um dort dann wieder die alte Bastille wieder zu errichten, immerhin jenes symbolträchtige Bauwerk, das für den Sieg der Demokratie in Frankreich stand? Sicher nicht.
Natürlich sind die Proportionen und die städtebauliche Einordnung des Palastes der Republik fragwürdig - aber das sind die eines barocken Schlosses im Berlin des 21. Jahrhunderts auch.
Natürlich ist der Palast der untergegangenen Republik auch moralisch und politisch fragwürdig - aber ist das ein feudalabsolutistischer Regierungsbau nicht genauso?
Vielleicht war es ein diktatorisch-signifikanter Gewaltstreich von Walter Ulbricht, die Reste des beschädigten Schlosses zu beseitigen, aber es ist nun mal geschehen und bislang ist noch JEDE Epoche sehr "großzügig" mit den Hinterlassenschaften der vorhergehenden umgegangen.
Und selbst wenn man die bauliche Substanz für ruinös und damit abrisswürdig hält, ist das Nachahmen Jahrhunderte alter Bauformen eine architektonische, historische und auch finanzielle Fragwürdigkeit, denn wo die geschätzten 700 Millionen Euro herkommen sollen, weiß auch niemand. Der Finanzminister zumindest gibt nichts, hat er gesagt. Vielleicht sollte man mal bei Walt Disney anfragen ...
Berlin braucht das Schloss nicht, wie die eifernden Befürworter des Wiederaufbaus skandieren.
Natürlich braucht Berlin braucht eine klare, starke und lebendige Mitte, attraktiv und nutzbar für Besucher UND Bewohner, ja, aber diese muss ganz und gar nicht barock aussehen. Das für eine "bessere Lösung" zu halten, ist ebenso fatal wie fantasielos.
Aber vielleicht ist es ja auch die sentimental-reaktionäre Sehnsucht nach der starken absolutistischen Herrschaft, die das Volk angesichts unserer labilen Politiker durch-dringt - anders immerhin als 1450, als die Berliner sehr GEGEN diesen Machtbau waren.
Aber wenn tatsächlich Deutschlands Volksvertreter der Meinung sind, zeitgenössi-sche Architektur mit all ihren Möglichkeiten würde hinter barocken Ornamenten zu-rückstehen müssen, dann sollte diese Entscheidung doch aber bitte auch ganz kon-sequent getroffen werden:
Kein Auto mehr in Berlins Mitte, dafür all die Politiker in Pferdekutschen, und dem Rest des Volkes Fernseher und Videokamera weggenommen, und die Nylonstrümp-fe auch, Blaskapellen statt Loveparade, und die großdeutsche Hauptstadt kann sich wieder in durchgängig preußisch barockem Gepränge präsentieren.
Und vielleicht sollten wir das mit der Demokratie dann auch lassen, und nur als letz-ten Akt der Parlamentarität einen König einsetzen.
SO schlecht klingt "Edmund der Erste" doch gar nicht, und dann gäbe das Schloss auch einen wirklichen Sinn.
(Stefan Hasselmann)