Kommentar
Kommentar vom 02.08.2002
Weimarer Passionen - „Ziellos umherreisen ist immer noch besser, als hier anzukommen“ - dieses Motto aus Douglas Adams Bestseller „Einmal Rupert und zurück“ wäre zwar als Leitspruch nicht so ganz tourismusfördernd für Weimar, aber immer noch besser als 3500 Bamberger Touristen ohne Bürgermeister, dafür mit Knöllchen entgegenzutreten. Nehmen wir aber mal an, dass eine Reisegruppe ganz zufällig im Kulturstädtchen landet. Dann hängen die Besucher sich mit elementarer Wucht an die schirmschwingenden Reisebegleiter und sind ängstlich bemüht, nicht aus der Reihe zu scheren. Und wie sie dann so mondmenschengleich, verklärten Gesichtes und kamerabewehrt den Sehenswürdigkeiten huldigen, scheint die Straßenverkehrsordnung partiell außer Kraft gesetzt.
Während die Ordnungshüter mit Freude jeden Radfahrer auf der Schillerstraße zu Absteigen zwingen, (egal ob er vorsichtig oder lebensgefährlich strampelt), scheint es jedem Touristen erlaubt zu sein, Straßen und rote Ampeln zu ignorieren, und grundsätzlich in Gruppen im Weg zu stehen. Autos macht er gerade mal Platz, obwohl die ja nun in den Fußgängerzonen selten was zu suchen haben. Aber Radfahrer werden von den Ausheimischen konsequent ignoriert, was die ohnehin schon nur latent vorhandene Weimarer Gastfreundschaft aufs Äußerste strapaziert.
Im Zeitalter der Verschwörungstheorien steht vielleicht zu vermuten, dass man Weimars Radfahrer zwingen will, auf das Flugzeug umzusteigen. Und solange sie keine politischen Ambitionen haben, können sie sich ja als Vielflieger profilieren. Am Ratsamsten erscheint es jedoch, bei diesen Temperaturen und Invasionen unter Wasser zu bleiben. Solange das Schwanseebad nicht wieder auströpfelt kann man das ja sogar in Weimar bewerkstelligen.
Ach ja, der Sozialminister hatte die Stadt ja als fahrradfreundlich geehrt. Vielleicht meinte der ja wirklich nur die Räder...
(Matthias Huth)