Kommentar
Kommentar vom 11.10.2002
Flut-Ebbe-Hochkultur - Nun hat die Flut also auch Weimar erreicht. Oder sollte ich besser sagen: die Ebbe? Denn was, außer Ebbe, herrscht im Portmonee? Lange haben diejenigen, denen es schon seit einigen Jahren an die Kasse ging auf das nun offenbar Gewordene gewartet. Mit einem schmerzlichen Frohlocken sehen sie nun zu, wie die sogenannte Hochkultur, deren Name wohl daher kommt, dass die Subventionen "hoch" waren, allmählich trocken gelegt wird.
Mit Galgenhumor, vermute ich, beobachten sie alle, wie die Stadt der Kultur, die sich auf zufällig hier ansässig gewesene Geistesgrößen stützt, ihren finanziellen Ruin eingestehen muss. Und wenn es ihre eigenen Plakate wären, die vor einiger Zeit an den Litfasssäulen zu sehen waren, sie würden sie triumphierend den Stadtoberen und Hochkulturellen vor die Nase halten. Was du tust ist unbezahlbar! stand auf den Plakaten.
Die Kampagne für ehrenamtliches Wirken fiel ihrer Zeit zusammen, zufällig oder nicht, mit einer Diskussion um Faulheit und Sozialschmarotzertum. Wäre es nicht wieder an der Zeit, eine solche Kampagne zu starten? Sie muss nicht viel Geld kosten. Jedes Kind könnte ein nettes Plakat malen und es auf eine der künftig immer leerer werdenden Säulen kleben. Die Zielgruppe dürfte in absehbarer Zeit durch die historisch schlecht gepflasterten und noch dazu unbeleuchteten Gassen laufen.
Alle die, die seit Jahren in den kleinen Vereinen ihre vermehrte Freizeit ehrenamtlich totschlagen, alle die, die bisher nur neidisch den Fördermillionen für die Hochkultur hinterher geschaut haben, alle die, da bin ich mir sicher, schlagen sich schadenfroh auf die Schenkel, wenn sie die Großkulturellen jetzt hyperventilieren sehen.
Die Stadt und auch das Land, alle schieben eines seit langer Zeit vor sich her: das Eingeständnis von gravierenden Fehlern. Und in der Hoffnung, sie würden nicht bemerkt, machen alle weiter wie bisher. Ein Museumsdirektor kündigt Protest an. Recht hat er damit. Und vielleicht fällt es allen wieder ein, dass Menschen, die Fehler machen, nicht automatisch im Amt bleiben müssen.
(Shanghai Drenger)