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Kommentar

Kommentar vom 21.03.2003

Weimar - Stadt der Toren - Was haben wir hier in unserer kleinen Thüringer Provinzmetropole eigentlich mit dem Krieg zu tun. Kaum jemand würde ihn bemerken, wenn er oder sie bei herrlichem Frühlingswetter über die Schillerstraße promenierte, eine Bratwurst am Marktplatz zu sich nähme oder am Theaterplatz in die Sonne blinzelte. Nur der Lärm des Medienhypes Irak-Krieg dringt in diese Idylle unüberhörbar hinein. Immer neue bedrohliche Meldungen treiben die Menschen auf die Straßen und Plätze, um ihren Unmut über die amerikanische Politik auszudrücken, aber auch ihre Hilflosigkeit, Furcht, ja: Angst vor als unwägbar empfundenen Gefahren, die der - da ist man sich allenthalben einig - völkerrechtswidrige Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten mit sich bringen könnte.

Dafür waren die paar Hundert Demonstranten und Demonstrantinnen, die gestern Abend in Weimar den Frieden zu Grabe trugen, eigentlich ein nicht sehr beeindruckender Beleg. Vielleicht ist die Kriegsfurcht hier gar nicht so groß. In Jena waren immerhin über 1000 Menschen auf der Straße.

Hat man in Weimar womöglich noch größere Furcht vor dem Frieden als vor dem Krieg, ist einem das Thema unangenehm, fürchtet man von zuviel Friedensgedöns Nachteile?

Diesen Eindruck konnte gewinnen, wer die Debatte über das Thema „Stadt des Friedens“ im Weimarer Stadtrat verfolgte. Kaum eine Erwägung schien absurd genug, nicht geäußert zu werden, um den - wie PDS-Antragsteller Dirk Möller wohl annahm - Ehrentitel „Stadt des Friedens“ abzuwenden.

Der Parteilose Michael Hasenbeck macht sich Sorgen, dass Bundeswehrsoldaten, die nach einem Einsatz am Hindukusch zurückkehren, in „Städten des Friedens“ nicht als Helden mit Jubel und den Ehren begrüßt werden können, die sie sich um die Landesverteidigung erworben haben. Seine Frage ist nicht, was deutsche Soldaten am Hindukusch verloren haben: vielleicht schon ein Vorgeschmack auf seinen angekündigten Übertritt in die Partei der Kriegsbefürworter. Egal.

Auch die anderen Argumente, dass der Ruf Weimars von dem Friedenstitel beeinträchtigt werden könnte und dass so Einnahmen flöten gehen könnten und dass Staatsgäste nicht mehr mit diplomatischen Gepflogenheiten wie militärischen Ehren empfangen werden könnten usw. usf. - auch diese Argumente lassen die Halbwertszeit der Friedensseligkeit erahnen. Wenn es um die eigenen, vor allem ökonomischen Interessen geht ist Schluss mit der Gefühlsduselei, auch wenn man - was einer der Räte tatsächlich so sagte - „dummerweise“ hier Buchenwald habe. Solche Argumentation ist skandalös und gereicht der Stadt Goethes und Schillers nicht gerade zur Ehre.

Aber warum sollte Weimar auch besser dastehen als die friedensbekiffte Regierungskoalition, die einen Spagat bis zum Dammriss hinlegt zwischen Kriegsgegnerschaft und Ermöglichung desselben mit Überflugrechten, Awacs-Aufklärung und Wiederaufbau-Avancen.

Warum sollte es Weimar auch besser gehen als Städten wie München, wo man die Chuzpe besaß, dem Bündnis der „Städte des Friedens“ mit der Begründung beizutreten, dass man nicht in der Lage sei, weitere irakische Flüchtlinge aufzunehmen, wenn es zum Kriege komme.

Also: auch das wohlfeile Etikett „Stadt des Friedens“ schützt vor Torheit nicht!

(Friedrich C. Burschel)

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