Hörbuchrezension
Hörbuchrezension vom 07.10.2003
Ecki Göbel: Ein Sommerloch - Ecki Göbel ist ein Höhlenmensch. Höhlen faszinieren ihn. Er hat selber schon einige begangen, hat sich die Hände an den rauen Wänden aufgeschürft, hat die tiefe Dunkelheit einer Höhle versucht mit einer guten Taschenlampe zu durchdringen, hat vielleicht vom eiskalt herabtropfenden Wasser gekostet, womöglich auch manchmal Angst gehabt - fest steht jedenfalls, dass er immer wieder heraus gefunden hat.
In seinem Hörspiel "Ein Sommerloch" lässt er vier junge Leute in eine Höhle gehen, zuerst bewundern sie die Höhle, dann verirren sie sich in ihr, und schließlich verzweifeln sie an ihr, obwohl Rettung in Sicht ist. Ein richtig schönes Happy End beschert uns der Macher also nicht. Die Geschichte hat, wie von ihm zu erfahren war, einen reellen Hintergrund.
Aber der Reihe nach: Wir lernen zunächst einmal die vier jungen Leute kennen, die sich aus unterschiedlichen Gründen auf ein ganz besonderes Abenteuer einlassen. Sie stellen sich selbst vor und erklären, warum sie beim Höhlengang dabei sind. Wir erfahren von der Lust am Abenteuer, von dem Drang einmal etwas ganz Verrücktes zu tun, wir hören auch naturwissenschaftliches Interesse heraus. Wir begleiten die Abenteurer auf ihrem beschwerlichen Weg, erleben, wie sie zweifeln, dass sie Ängste entwickeln und der Verzweiflung nahe sind als sie feststellen müssen, dass ihnen der Rückweg abgeschnitten ist.
Die Szenerie wird regelmäßig unterbrochen durch fiktive Lokalnachrichten, in denen es - wie im wirklichen Leben - um kommunalen Kram geht - Bauvorhaben der Stadt, haushaltspolitische Diskussionen und, natürlich das Wetter. Unmerklich schleichen sich in die ewig gleichen Themen die Nachrichten von den verschollenen Höhlenforschern ein, gewinnen an Gewicht, werden sogar zur Schlagzeile erster Güte und - verschwinden ohne Gnade wieder aus dem Sichtfeld der Radiomacher und damit auch der Radiohörer. Was aus den immer noch Vermissten geworden ist, scheint keinen mehr zu interessieren.
Eine Gruppe von Vermissten, die in verzweifelter Lage um ihr Leben fürchten, die in einer kalten, dunklen Höhle auf Rettung hoffen, die glauben, dass oben in der Welt inzwischen alles getan wird um sie zu befreien - und die erbarmungslos zur Tagesordnung übergehenden Nachrichtenmacher - das ist guter Stoff für eine Geschichte. Da steckt das drin, was einen Geschichtenhörer packen kann. Der könnte sich für die dramatischen Gefühlsschwankungen der vier jungen Leute interessieren, für die enormen Spannungen, die sich zwischen ihnen aufbauen müssen. Ein Zuhörer könnte die ausweglose, physisch erschöpfende Suche, das Im-Kreis-Gehen, den Zorn, die wütenden Beschimpfungen und schließlich die lähmende Verzweiflung der anfangs so unbekümmerten Studenten miterleben wollen.
Allerdings braucht ein solch anspruchsvolles Anliegen einfach mehr Zeit. Diesem Hörspiel wäre es zu wünschen zunächst als Arbeitsfassung zu bestehen. Es sollte einfach noch nicht als abgeschlossen gelten. Denn: Der Hörer kann die Charaktere, ihren persönlichen Hintergrund, ihre Motive und damit ihre Verhaltensweisen nicht selbst erschließen. Sie werden durch plakative Selbstbeschreibung vorweggenommen. Der Weg vom fest entschlossenen "Was kostet die Welt? Ich will den ultimativen Kick!" bis zum "Ich halt das nicht mehr aus, ich will hier raus!" ist mir einfach zu kurz. Ich will wissen: Was bleibt übrig vom Menschen, wenn er als kleines Häufchen Elend an einer schwarzen nassen Höhlenwand klebt?
Doch natürlich muss ich an dieser Stelle Ecki Göbel um Verzeihung bitten. Denn der ist ein Laie, einer, der Spaß hat am Hörspielmachen, was man hört. Und den sollte er sich unbedingt erhalten. Das Stück "Ein Sommerloch" hat er mit Laien gemacht. Wo? Bei Radio Lotte. Und solche hausgemachten Produktionen von Leuten, die Lust drauf haben, finde ich gut. Und die werden dem Hörspielliebhaber bei Lotte natürlich ohne Wenn und Aber ans Ohr gebracht.
In Kürze also zu erleben in der Sendung "Ohrangeade" das 30-minütige Hörspiel "Ein Sommerloch" von Ecki Göbel, das eigentlich das Doppelte an Zeit beansprucht. Aber auch das hat sein Gutes, denn so wird Zeit bleiben für ein ausführliches Gespräch mit den Machern und für die Frage: Wie geht es weiter, mit deiner Hörspielkarriere, Ecki?
(Kathrin Witte)