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Hörbuchrezension

Hörbuchrezension vom 23.09.2003

Patricia Highsmith: Der Schrei der Eule - In dieser Geschichte klingelt ständig das Telefon. Leute rufen einander an, verabreden sich und sagen wieder ab, erklären gestriges Verhalten, beschimpfen und bedrohen einander, erfahren Geheimnisse, empfangen traurige Nachrichten, machen sich gegenseitig Geständnisse. Vor allem Gespräche sind es, die den Hörer mit der Geschichte vertraut machen.

Ein junges Pärchen, verlobt, kurz vor der Heirat - Weihnachten wird schon im Kreise der Familie verbracht - wird aus seinen Zukunftsplänen gerissen. Ein Mann taucht auf, der ums Haus der jungen Jenny streicht, deren Glück, wie er erklärt, er einfach nur beobachten will. Dieser Mann beginnt für die Verlobte mehr und mehr an Bedeutung zu gewinnen, bis sie schließlich glaubt ihn zu lieben.

Der Fremde heißt Robert Forester und rutscht fast ohne eigenes Zutun in ein Geflecht von Beziehungen, deren Protagonisten ihm bis dahin völlig fern waren. Sein Ziel war es lediglich seine Vergangenheit zu vergessen, Ruhe in einem kleinen Provinznest zu finden, seine Depressionen loszuwerden. Forrester muss einsehen, dass es nicht möglich ist neu anzufangen - die Vergangenheit holt ihn ein.

Wichtigstes Element in "Schrei der Eule" ist der Tod und die Sicht der verschiedenen Figuren auf seine Bedeutung für die Lebenden. Jenny glaubt an "Bruder Tod", der ihr erstmals im Hause ihres Vaters begegnete und den sie unmittelbar mit dem kurz darauf folgenden Tod des jüngeren Bruders in Verbindung bringt. Ein Freund des Vaters also, den Jenny unsympathisch fand, verkörpert in ihren Vorstellungen "Bruder Tod". Robert hat ein fast identisches Bild im Kopf, das ihn immer wieder in seinen Träumen heimsucht.

Die düstere Stimmung, die Ahnung vom Unglück, auf welches Jenny und Robert unweigerlich zusteuern, lässt den Hörer nicht mehr los. In Robert hat Jenny, die doch eigentlich Glück und Geborgenheit verkörpert, einen Seelenverwandten gefunden. Robert fördert die bis dahin tief vergrabene Traurigkeit über den Verlust des kleinen Bruders in der scheinbar lebenslustigen Jenny zu Tage. Und die, die ihn aus seiner persönlichen Depression hätte befreien sollen, zieht ihn in einen fatalen Strudel aus Gewalt, Suizid und Mord.

Hans Rosenhauer beherrscht als Regisseur die Kunst den Hörer zunächst mit nervenaufreibender Langsamkeit einzulullen um ihn dann immer tiefer in die Geschichte hineinzuziehen. Am Ende überschlagen sich die Ereignisse, und man muss höllisch aufpassen, damit einem keine Einzelheit entgeht. Der Handlungsverlauf wird strukturiert durch besagtes Telefonklingeln, mal schrill und fordernd, mal sachlich geschäftsmäßig. Jedoch immer so, dass man schon vorher zu wissen glaubt, wer dran sein wird. Beeindruckend auch die Sicherheit, mit der er für jede Rolle die richtige Stimme findet: Hannelore Hoger als hysterische Exfrau Roberts, die diesen am Telefon sadistisch terrorisiert, Esther Hausmann als frisch fröhliche Jenny, deren Lebenslust unmerklich dahinschmilzt und Dietmar Mues als Robert Forester, der sich irgendwann einfach in sein Schicksal ergibt.

Das Ende ist für den Hörer nicht wirklich eine Überraschung, obwohl leise Zweifel, winzige Hoffnungsschimmer und sicheres Wissen einander immer wieder ablösen. "Patricia Highsmith - die Königin des raffinierten Thrillers" - dies mag im Zusammenhang mit "Der Schrei der Eule" vielleicht etwas übertrieben wirken. Mit dem Hörspiel liegt aber ohne Zweifel ein solides Stück Unterhaltung vor.

Der Schrei der Eule, Kriminalhörspiel unter der Regie von Hans Rosenhauer,
produziert 1986 vom NDR und erschienen beim Audioverlag 2003.

(Kathrin Witte)

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