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Hörbuchrezension

Hörbuchrezension vom 26.08.2003

Doris Dörrie: Was wollen Sie von mir? - Auf dem Cover der Kassette steht Die insbesondere durch ihren Erfolg der Filmkomödie `Männer` bekannte Regisseurin erweist sich auch in ihren Büchern als eine feine Beobachterin und originelle Darstellerin der Schwierigkeiten und Herrlichkeiten menschlicher Beziehungen.

Ich kenne diesen Film und bin gerade deshalb etwas skeptisch. Muss die unbedingt auch noch Bücher schreiben? Sie kann wunderbare Filme machen. Kann sie auch wunderbare Bücher schreiben?

Schon nach wenigen Minuten des Zuhörens bin ich überzeugt. Diese Frau kann erzählen. Sie tut dies mit ihrer seltsam unbeteiligt und kühl anmutenden Stimme. Sie schleudert einem ihren trockenen Witz um die Ohren und man kann gar nicht so schnell lachen, da kommt schon die nächste alltägliche Ungeheuerlichkeit angerollt und man hat keine Zeit zu stutzen, zu warten, bis der Kopf verstanden hat, was das jetzt wieder war. Denn schon geht es weiter. Da gerät eine Europäerin mitten in eine Hollywoodparty und fühlt sich in ihrer nagelneuen Lederhose plötzlich wie eine alternde Hippietante. Sie ist umgeben von nuttig wirkenden Organzakleidern und völlig underdressed. Außerdem weiß sie nicht dass Skilaufen ein Codewort für Kokskonsum ist und erzählt treuherzig und wahrheitsgemäß, sie tue es nur in den Alpen und nur gelegentlich. Wie alle wartet sie auf Richard Geere. In die Schlange, die sich bildet, als sein Agent auftaucht, reiht sie sich nicht ein. Entnervt verlässt sie schließlich diesen Zirkus und macht sich zu Fuß auf um den Abend noch zu retten. Prompt trifft sie einen Produzenten, der sie zu einer Party einlädt. Richard kommt auch. sagt er mit Verschwörermine.

Doris Dörrie erzählt uns Geschichten, die uns allen genau so passieren könnten. Und dabei macht sie sich keineswegs nur über die Macken der Männer her. Männer suchende Frauen sind ihr ebenfalls willkommene Opfer für beißenden Spott und mitfühlende Ironie. In der Erzählung Ein Mann lernen wir eine überzeugte Singlefrau über 30 kennen, die plötzlich das überraschende aber von nun an unstillbare Bedürfnis hat sich vertrauensvoll in die starken Arme eines Mannes zu begeben, dabei dachte sie, sie wäre eine äußerst emanzipierte, moderne und noch dazu sehr amerikanische Frau. Plötzlich jedoch hat sie es satt ihr Bett auf Verdacht immer für zwei zu beziehen. Sie zieht in Erwägung von nun an die U Bahn immer mit einem Kaninchen auf dem Schoß zu benutzen, weil Männer dieses niedliche Tierchen dann immer streicheln wollen und es so unweigerlich zu einem ersten Kontakt kommt. Sie kauft sich Komm zu mir Öl und hängt sich einen Beutel mit Moschusduft um den Hals. Und das alles nur, weil sie unbedingt den Mann kennen lernen will, der nach ihr beim Therapeuten an der Reihe ist.

Schauplatz von "Was wollen Sie von mir" und 15 andere Geschichten ist Amerika. Und natürlich kommt mir der Gedanke: Okay, da drüben sind sie sowieso alle nicht ganz richtig, und wenn Doris Dörrie von massiver Schönheitschirurgie, arobicgestählten Brüsten oder Atombomben Männer Statistiken spricht, die das typische amerikanische Kosmomädchen aus der Ruhe bringen, dann kann ich ziemlich gut Distanz wahren. Wenn sie aber sagt, sie fühle sich nach dem Verschlingen eines Stückchens Schwarzwälder Kirsch ungesund und triebhaft, dann geht mir das schon an die Nieren.

Die beiden Kassetten mit drei Stunden Doris Dörrie sind nicht brandneu. Sie sind vor 10 Jahren schon erschienen. Ich habe sie jetzt erst entdeckt und stelle fest, sie sind brandaktuell. Zu spät zum Anhören von Was wollen Sie von mir und 15 andere Geschichten ist es jedenfalls für niemanden, denn ist man erst mal über 30, dann ist man es ganz schön lange.

(Kathrin Witte)

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