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Hörbuchrezension

Hörbuchrezension vom 05.08.2003

Imre Kertesz: Ich - ein Anderer - Als der ungarische Autor Imre Kertesz im vergangenen Jahr den Literatur-Nobelpreis erhielt, hat das vor allem wohl ihn selbst verwundert: "Ich hätte nie gedacht, dass ein Schriftsteller ungarischer Sprache den Nobelpreis bekommen könnte. Das ist eine Auszeichnung für eine Literatur in einer kleinen, nicht indo-germanischen Sprache.... Das ist wie olympisches Gold, aber der Nobelpreis hält länger vor.

In der Tat war Kertesz und erst recht sein Werk vorher nur wenigen bekannt. In Weimar hatte man den Namen zwar schon gehört, denn Kertesz war Häftling in Buchenwald und erlebte hier 1945 die Befreiung durch die Amerikaner. Doch wer hatte schon einmal in seine Bücher geschaut?

Das änderte sich schlagartig mit dem Nobelpreis, der Kertesz auch einem breiteren Publikum bekannt machte. Jetzt hat der Hörverlag München den 1997 erschienen Roman "Ich - ein anderer" als Hörbuch editiert, gelesen von Dieter Mann. Thema dieses sehr persönlichen Buches ist die Suche eines ehemaligen Dissidenten nach Identität und Sinnhaftigkeit.

Im sozialistischen Ungarn hatte Kertesz - konsequent wie wenige andere - die innere Emigration gewählt. Seit den fünfziger Jahren bewohnte er mit seiner Frau, die ihm durch Kellnern die Existenzgrundlage sicherte, eine kümmerliche 28 Quadratmeter-Wohnung im Stadtteil Buda. Hier hat er seine Erinnerungen beaufsichtigt und Erkenntnisse produziert, die niemand teilen wollte. Erst 1975, dreißig Jahre nach seiner Freilassung aus dem KZ Buchenwald, konnte sein Auschwitz-Buch "Roman eines Schicksallosen erscheinen, was aber an seiner persönlichen Situation nichts änderte: Aus dem Autor ohne Werk wurde der erfolglose Verfasser eines nicht wahrgenommenen Buches.

Man sollte annehmen, das die politische Wende 1989/90 für Kertesz in jeder Hinsicht eine Befreiung war, doch hat ihn die scheinbar grenzenlose Freiheit - wie andere kritische Intellektuelle auch - in eine tiefe Sinnkrise gestürzt. Genau diese persönliche Krise arbeitet Kertesz in seinem Roman "Ich - ein anderer" auf. In Reisebildern aus Tel Aviv, Berlin, Leipzig und Wien, in Erinnerungsmomenten einer fast entrückten Kindheit, in erzählten und geträumten Geschichten kommt er immer wieder auf die eine, für ihn zentrale Frage: Wer bin ich? Wozu bin ich da? Für wen ist meine Existenz von Belang? Das Buch gibt - wie könnte es anders sein - keine abschließende Antwort auf diese Frage, wohl aber zahlreiche Denkanstöße, überraschende Erkenntnisse und vor allem Einblicke in die Persönlichkeit des letztjährigen Nobelpreisträgers.

Ich - ein Anderer. Roman von Imre Kertesz, gelesen von Dieter Mann.
3 CD mit insgesamt 227 Minuten Spielzeit.
Erschienen im Hörverlag München
Preis 24.95 Euro

(Burkhardt Kolbmüller)

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