Kommentar
Kommentar vom 18.07.2003
Mädchen titschen - „Mädchen titschen“ – aktueller Sommerspaß oder anachronistisches Vergnügen für junge Sexisten? Diese Frage hat die Weimarer Gleichstellungsbeauftragte Andrea Wagner angesichts eines Computer-Spiels gestellt, das derzeit auf den Internet-Seiten jener Thüringer Zeitungen zu finden ist, die der WAZ-Gruppe angehören – und das sind nicht wenige. Das Spiel hat einen männlichen Protagonisten, den klassischen Schwimmbad-Rowdy, der es sich zum Spaß macht bevorzugt Mädchen im Pool unterzutauchen und damit sich selbst als Herren der Badeanstalt und tollen Hecht im Teich weiblicher Karpfen darzustellen. Einziges Regulativ im Becken ist der Bademeister, der den nach Luft ringenden Getitschten zu Hilfe kommt.
Andrea Wagner macht zurecht darauf aufmerksam, dass das Spiel höchst bedenkliche Rollenzuweisungen für Frauen und Mädchen wiederholt, welche die nicht selten gewaltförmigen Beziehungen der Geschlechter in der Realität wiederspiegeln. Der junge Mann als körperlich überlegener Macher, der in den Mädchen zunächst das Objekt der pubertären Begierde und den Spielball beim Imponiergehabe im sommerlichen Schwimmbad sieht und dessen Form der Annäherung in einer deutlichen Grenzüberschreitung stattfindet, dem gewaltsamen Untertauchen des weiblichen Gegenübers. Der Junge im Spiel ist zudem in der Manier der beiden megabrutalen Kult-Figuren Beavis and Butthead gestaltet. Gestoppt wird der Übeltäter nur von dem vom Beckenrand-Rambo zum autoritären Charakter des Bademeisters gereiften Erwachsenen mit der Sonnenbrille des coolen Machos. Die Mädchen sind Objekt, Schwäche, Flucht und Gegenstand männlicher Machtspiele.
Was hier jedoch reproduziert wird ist eine von männlichen Herrschaftsweisen dominierte Realität von Unterdrückung, Missbrauch und Misshandlung im engsten sozialen Umfeld, deren kritisches Hinterfragen man mit der Einführung des Postens der Gleichstellungsbeauftragten für erledigt gehalten hatte. Wie erledigt, zeigt die Reaktion einer Ansprechpartnerin bei einer der Weimarer Lokalzeitungen. Nicht nur, dass sie die Einwände der Gleichstellungsbeauftragten mit der erstaunlichen Bemerkung vom Tisch wischte, dass das Titschen von Mädchen – ich zitiere - „im Freibad seit Generationen so passiert und in Maßen harmlos ist“. Ebenso wie die Prügel für das eigene Kind, die noch niemand geschadet haben, möchte man ergänzen.
Nein, die betreffende Redaktion war dann auch nicht mal bereit, das Thema öffentlich – etwa in Radio Lotte – zu diskutieren. „Kein Kommentar“ war die lapidare Antwort auf eine eskalierte Anfrage – ja, eben nur der Gleichstellungsbeauftragten.
Über das Spiel hätte man noch trefflich streiten können. Die Reaktion auf die Kritik aus berufenem Munde indes ist indiskutabel und sagt viel darüber aus, welche Rolle auch der Gleichstellungsbeauftragten zugeschrieben wird: sie soll nicht hysterische Zicke sein, sondern schweigsame Hüterin des guten Gewissens einer Gesellschaft, die sich für Männerherrschaft, Sexismus und Patriarchat einen feuchten Kehricht interessiert.
Aber man täusche sich nicht. Der hoch geschätzte Freiburger Soziologe Klaus Theweleit, der vor einigen Monaten auf Einladung des Nietzsche-Kollegs an der Bauhaus-Uni sprach, warnt – ich zitiere:
„Erziehung zum Männertum rächt sich. Man kann nicht auf der einen Seite im täglichen Leben Mütter rechtlos halten, Frauen öffentlich entmachten, kleinen heranwachsenden Scheißern Macht über ihre Schwestern und teilweise ihre Mütter einräumen und gleichzeitig erwarten, dass sie diese, die gesellschaftlich unter ihnen stehen (d.h. Dreck sind), später mit Vorsicht berühren und wie Menschen behandeln.“
(Fritz C. Burschel)