Kommentar
Kommentar vom 28.09.2010
Für ein paar Euro mehr - „Für ein paar Dollar mehr“, lautet der Titel eines Italo-Westerns von Sergio Leone aus dem Jahre 1965. 45 Jahre später gibt es im deutschen Wildwest-Kapitalismus ein paar Euro mehr, nämlich genau fünf für ALG II-Empfänger. Ein paar Millionen Euro mehr dagegen gibt es für manche Investmentbanker, auch wenn sie zuvor etliche Milliarden Euro verzockt haben.
Und so ist der Aufschrei in diesen Tagen groß, dass gut ein Zehntel der Bevölkerung mit einem lächerlichen Mehrbetrag abgespeist wird. Auch Politiker von SPD und Grüne reihen sich ein in den Chor der Empörer, obwohl doch Rot-Grün die verwerflichen Hartz-IV-Gesetze auf den Weg gebracht haben. Und wäre den Langzeitarbeitslosen wirklich geholfen, wenn es 20 oder gar 40 Euro mehr gegeben hätte? Auch dann wäre ein Betrag herausgekommen, der zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig ist; zumindest für ein menschenwürdiges Leben.
Für Kanzlerin Angela Merkel ist die geplante 5 Euro-Erhöhung ein – so wörtlich - „beachtlicher Vorschlag“. Interessant, dass das Anforderungsprofil für Politiker so niedrig ist, denn dann sind wohl fast alle Arbeitslose in die Politik vermittelbar. Solch einen beachtlichen Vorschlag bekommt wohl nahezu jeder hin. Schwieriger wird es vielleicht, perfide Begründungen möglichst überzeugend zu verkaufen. Besonders dreist ist es, wenn Politiker von Ursula von der Leyen damit argumentieren, dass der Abstand zu den Niedriglöhnen gewahrt werden müsse. Denn diesen Abstand könnte man auch wahren oder gar vergrößern, wenn die Niedriglöhne deutlich erhöht werden würden. Für einen aufgeklärten Empfänger von relativ niedrigem Lohn ist nicht ein höheres Arbeitslosengeld ein Skandal, sondern dass kriminelle Manager hundert- oder gar tausendmal so viel verdienen wie er selbst mit ehrlicher Arbeit.
Darauf aber geht kein Politiker von CDU/CSU oder gar der FDP ein. Vielmehr möchte man Arbeitslose und Geringverdiener gegeneinander ausspielen. Und leider geht dieses perfide Spiel sogar auf. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist gegen jede Erhöhung der Hartz IV-Sätze. Solidarität – das zeigt sich wieder mal – übt nur eine Minderheit aus. Deutlich mehr verbreitet ist die Charaktereigenschaft, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten. Machen wir uns nichts vor: unter nur etwas geänderten Vorzeichen würde die Mehrheit des Volkes auch erheblich härtere Maßnahmen gegen Arbeitslose begrüßen; selbst die Errichtung von Arbeitslagern. In so fern kann man sehr sarkastisch sogar von einer Großzügigkeit der Regierung sprechen.
(Oliver Kröning)