Kommentar
Kommentar vom 01.08.2003
Spucke auf der Geburtstagstorte - Das Antifa-Workcamp 2003 - Das Antifa-Workcamp in und um die KZ-Gedenkstätte Buchenwald feiert seinen 15. Geburtstag. Wahrhaftig ein Grund zum Feiern angesichts einer tiefen Krise dessen, was sich einst als antifaschistische Bewegung verstanden hat. Große Antifa-Gruppen brechen auseinander, andere lösen sich in Luft auf oder versacken in inhaltsloser Muskelspielerei.
Insoweit ragt das Antifa-Workcamp, das seit der Wiedervereinigung 1990 jährlich in Weimar und auf dem Ettersberg stattfindet, als positive und Sinn stiftende Tradition aus einem Brei der Stagnation hervor.
Es kommen im Schnitt 200 junge Leute aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland angereist. Sie widmen sich in der Sommerwoche Workcamp Restaurierungs- und Recherchearbeiten in der Gedenkstätte, sie veranstalten Zeitzeugen-Gespräche und inhaltliche Diskussionen, die durchaus – was bei der Antifa nicht gerade Tradition hat – selbstkritisch heikle Themen wie etwa den Antisemitismus in der Linken aufgreifen.
15 mal Antifa-Workcamp: Tatsächlich also ein Grund zum Feiern!
Aber nicht alle feiern mit, einige spucken den jungen Leuten sogar auf die Geburtstagstorte. Zum Beispiel die Stadtverwaltung Weimar. Sie war ausgerechnet zum Jubiläumscamp nicht mehr bereit, die Organisatoren mit der Bereitstellung eines geeigneten Camp-Grundstücks zu unterstützen. Das ist eine Schande!
Da das jedoch nicht das erste Mal ist, dass Teile der Verwaltung, verortet vor allem im Bereich der Ordnungsbehörde, Arbeit gegen Rechtsextremismus boykottieren oder torpedieren, muss man fürchten, dass das Methode hat. Auch beim Nazi-Aufmarsch zum – in Anführungszeichen – „Führergeburtstag“ hat das zuständige Dezernat sich nicht eben mit Ruhm bekleckert. Und das obwohl das Stadtoberhaupt, Oberbürgermeister Volkhardt Germer – wie übrigens auch im Falle des Workcamps – unbeirrt eine wackere Haltung gegen Rechtsextremisten einnimmt.
Vielleicht geht der OB einfach nur offenen Auges durch seine Stadt und sieht an allen wichtigen Plätzen – zu nennen seien in diesen Tagen der Theaterplatz, der Goetheplatz und der Bahnhof – jene zunehmenden Gruppen und Grüppchen eindeutig gekennzeichneter und martialisch auftretender Neonazis mit ihren „Braune Musik Fraktion“- oder „Macht und Ehre“-T-Shirts, mit ihren straff geschnürten Springerstiefeln mit weißen Schnürsenkeln und Hochwasser-Jeans, ihre Zahlen- und Markencodes. Es ist im Grunde – und da muss man gar kein Pessimist sein – eine Frage der Zeit bis es wieder knallt und Menschen von diesem Pöbel angegriffen werden.
Umso wichtiger ist es – wie übrigens in ganz vielen Städten und Gemeinden in ganz Deutschland und vor allem Ostdeutschlands – jugendliche Alternativ- und Gegenkulturen zu unterstützen und so orientierungslosen Jugendlichen mit einem Drall nach Rechts Alternativen aufzuzeigen. Auch insofern sind die Leistungen des Antifa-Workcamps – zumal wenn es um Veranstaltungen im öffentlichen Raum geht - nicht zu unterschätzen. Und es macht sich einer gefährlichen Gleichgültigkeit oder Fahrlässigkeit schuldig, wer hier quertreibt!
Ein Wort noch zur Antifa: Jammern allein hilft aber auch nicht und dies Betteln nach Anerkennung und Einbeziehung in das „ganz große Bündnis“ klingt auch nicht gerade überzeugend. Wer es wissen will, weiß, dass gerade in vielen ostdeutschen Kommunen die zunehmend kleiner werdenden Antifa-Gruppen tatsächlich die Letzten, die Einzigen und die gleichzeitig Geschmähtesten sind, die überhaupt noch auf Rechtsextremismus und Rassismus in den so genannten „National befreiten Zonen“ aufmerksam machen. Wo anders ist der rechtsextreme Mainstream längst akzeptierter Bestandteil eines gespenstischen Alltags dunkel brodelnden Nationalismus’. Wo mit den oft selbst von Angriffen massiv bedrohten jungen Antifas der letzte Widerstand in die Städte abwandert, herrscht eine erstickende politische Stimmung, an der der Führer seine Freude gehabt hätte.
Die Antifa sollte insofern selbstbewusster auftreten und ihr Recht einfordern. Die Aktiven können sich gute Anregungen beim jährlichen Antirassistischen Sommercamp holen, wo auch über Versammlungsfreiheit und Demonstrationsrecht – mancher mag sich dieser demokratischen Grundtugenden noch entsinnen – Forderungen durchgesetzt werden. Wo die Verwaltung mauert, muss man Wege finden, wie man ein Gemeinwesen zum Nachdenken zwingt.
Also, herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und ein vorsorgliches Willkommen in Weimar fürs nächste Jahr!
(Fritz Burschel)